There’s no business like blow business

Warnung: Dieser Oldennerd kann Spoiler zur Handlung von „Narcos“ Staffel 3 enthalten.

„Eine Welt ohne Pablo? Wie soll das nur funktionieren?“, schießt dem geneigten Bingewatcher von Netflix‘ Eigenproduktion „Narcos“ als erstes unvermittelt in den Kopf, bevor er die dritte Staffel der Serie rund um den kolumbianischen Drogenhandel startet. Die kurze Antwort: Erstaunlich gut. Die lange Antwort: Vielleicht ist die Abwesenheit dieses markanten Charakters und das bei den meisten Zuschauern wohl kaum vorhandene Vorwissen um die Figuren und Geschichte der große Vorteil von Staffel drei.

Gewöhnen muss man sich nicht nur an die Abwesenheit des kleinen dicken Mannes mit dem stets müden Blick und dem prächtigen Schnäuzer, sondern auch an einen neuen Einflüsterer aus dem Off. Denn mit dem Abschied von DEA-Agent Murphy (Boyd Holbrook) aus Südamerika übernimmt nun dessen Partner aus den ersten beiden Staffeln, Agent Pena alias Pedro Pascal, nicht nur die unbestrittene Hauptrolle, sondern auch die des Erzählers. Als Fußvolk bekommt er mit Chris Feistl (Michael Stahl-David) und Daniel Van Ness (Matt Whelan) neue DEA-Agenten gestellt, nachdem sich deren Vorgänger, unter anderem gespielt von Shea Whigham, selbst aus dem Spiel nehmen.

Die feinen Herren

Wirklich interessant und schon in den ersten beiden Durchläufen die eigentlichen Stars sind aber die im Luxus schwelgenden Drogenbarone, dieses Mal die des Cali-Kartells. Das ist in das Vakuum gestoßen, das der Tod von Escobar und der damit verbundene Untergang seines Medellin-Kartels geschaffen hat. Zwar wollen die „Gentlemen von Cali“ ihren Geschäften am liebsten in aller Stille nachgehen – hätten sie das getan, wäre ihre Geschichte aber wohl kaum zur Vorlage dieser Staffel geworden. Denn natürlich wird auch dieses Mal wieder gefoltert, gemordet und die unliebsame Konkurrenz aus dem Weg geräumt.

Anders als zuvor stückeln die Showrunner „Narcos“ dieses Mal in mehrere, deutlich voneinander abgegrenzte Handlungsstränge, die erst nach und nach zusammengeführt werden. Da sind einerseits die Drogenbarone mit Namen voller Singsang wie Gilberto Rodríguez Orejuela oder José „Chepe“ Santacruz-Londoño, von denen jeder dann doch wieder sein eigenes Süppchen kocht. Dann ist da die DEA-Operation, während der die Agenten allerdings deutlich mehr mit korrupten Polizisten und Politikern als den Schwergen des Kartells zu tun haben. Damit verbunden die Geschichte von Jorge Salcedo, dem Sicherheitschef des Kartells, der ein doppeltes Spiel spielt und versucht, seine Familie vor einem brutalen Tod zu retten. Und dann gibt es noch einige Nebenkriegsschauplätze wie das Schicksal von Gangsterbraut María Salazar oder die politischen Verwerfungen zwischen Kolumbien und den USA.

?Donde esta la biblioteca?

Bei all den Figuren den Überblick zu halten fällt zunächst schwer. Dass 80 Prozent der Zeit spanisch gesprochen wird, trägt dazu bei. Aber nach zwei bis drei Episoden hat man, so zumindest denkt man, verstanden, wer hier mit wem welches Hühnchen zu rupfen hat. Für die Stimmungslage, nicht nur aus Gründen der Authentizität, ist das Spanische in „Narcos“ aber unverzichtbar. Stets mit „Motherfucker“ übersetzt, klingt das in jedem zweiten Satz genutzte „hijo de puta“ fast wie ein Gedicht. Darüber hinaus kommt die Festlegung auf die „Originalsprache“ sicher auch den vielen südamerikanischen Schauspielern und ihre Schauspielleistung entgegen. Wie das Hinterteil auf den berühmt berüchtigten Eimer passt außerdem wieder der Soundtrack mit massig Mambo, Rumba und anderen südamerikanischen Rhythmen, der einem stets das Bild vermittelt: „Hey, wir sind zwar gemeine Mörder und Drogenhändler, aber wir wissen trotzdem, wie man feiert.“

Kartell eins nach Pablo schlägt sich mehr als wacker: Die Erzählweise bleibt ähnlich, entwickelt sich aber mit zahlreichen Nebenhandlungen weiter. Dafür wurden fast alle Schauspieler ausgetauscht, das neue Personal weiß aber auch, wo DEA-Marke oder Koksspiegel hängen. So durchlebt man die Staffel wie schon die ersten beiden zwischen Anspannung, Lachen und einem leichten Ekelgefühl angesichts der Art und Weise, wie das Kartell mit unliebsamen Personen umspringt. Mit der echten Überraschung wartet man bei Netflix allerdings fast bis zu Schluss: Es scheint nämlich so, als sollte Agent Pena nach nur einer Staffel im alleinigen Rampenlicht den Colt schon wieder an den Nagel hängen – dabei ist Staffel vier doch schon bestellt.

 

Bild und Trailer: Netflix

Björn

Björn

Serienaficionado, Gamefanatic, Musiknerd und bekennendes Web 2.0-Opfer mit einer besonderen Vorliebe für jedweden Schwachsinn, den das Netz zu bieten hat.
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