TV-Serie „The Leftovers“: Von allen guten Geistern verlassen

The Leftovers/HBO

Mystery-Serien haben es nicht leicht. Da kann einiges schiefgehen. Das Mysterium kann zum Beispiel zu früh aufgelöst werden. Siehe „Twin Peaks“ (Der VATER ist der Mörder!). Oder aber, das Mysterium wird so lange mit weiteren Rätseln aufgepumpt, bis den Autoren keine gescheite Lösung mehr einfällt. Siehe „Lost“ (und das YouTube-Video am Ende des Postings).

Apropos „Lost“. Damon Lindelof hat diese Serie maßgeblich als Co-Erfinder und Showrunner geprägt. Jetzt hat er ein neues TV-Vehikel. „The Leftovers“ heißt die HBO-Serie, die nur wenige Stunden zeitversetzt auch beim deutschen Pay-TV-Anbieter Sky läuft. Es ist eine Mysterie-Serie – und sie erweitert das Fehlerspektrum des Genres um einen weiteren Punkt. „The Leftovers“ präsentiert ein großes Mysterium, ohne sich damit großartig zu beschäftigen.

In „The Leftovers“ verschwinden urplötzlich 140 Millionen Menschen weltweit. Ohne Vorwarnung. Ohne Erklärung. Die Wissenschaft verzweifelt. Die Kirchen frohlocken. Auch in der kleinen US-Stadt Mapleton sind 100 Einwohner einfach wie vom Erdboden verschluckt.

Die Serie spielt drei Jahre nach dem merkwürdigen Event und schildert die Probleme der „Hinterbliebenen“. Im Zentrum steht dabei die Familie des Polizeichefs Garvey, der merkwürdige Begegnungen mit einem „Mystery-Man“ im Stil des Krebskandidaten aus „Akte X“ hat und von allen für wahnsinnig gehalten wird. Garveys Tochter ist ein typischer Teenager mit Sex und Drogen und schlechten Einflüssen. Der Sohn folgt einem gemeingefährlichen Wunderheiler mit Vorliebe für asiatische Mädchen anscheinend ins Verderben. Und die Mutter? Die hat sich einem Kult angeschlossen, deren Mitglieder ein Schweigegelübde abgelegt haben, Kette rauchen, nur weiß tragen und die Bewohner von Mapleton stalken.

Dazu gibt es verzweifelte Priester mit komatösen Ehefrauen, wilde Hunde, Zwillinge, Steinigungen, spurlos verschwundene Bagels und jede Menge laute und extrem schnell geschnittene Flashbacks.

„The Leftovers“ ist vor allem eines: niederschmetternd. Die ganze Zeit herrscht eine depressive Grundstimmung, die mir ab Folge drei die Lust raubt, die Schicksale der Bewohner von Mapleton weiterzuverfolgen. Lindelof liefert ein Psychogramm einer kranken Kleinstadt ab, das leider nicht fesselt – und sich dann auch ganz gerne mal bei anderen Serien wie „Hannibal“ bedient.

An den Darstellern liegt es nicht, dass „The Leftovers“ nicht so richtig funzt. Liv Tyler spielt mit. Der großartige Justin Theroux auch. Michael Gaston darf Kautabak kauen und Christopher Eccleston ins Casino gehen. Dazu kommen Gaststars wie „The Leftovers“-Regisseur Peter Berg (GROßARTIG!), Brad „Buddy“ Leland aus „Friday Night Lights“ und Janel „Donna“ Moloney aus „The West Wing“.

Nichtsdestotrotz: „The Leftovers“ ist eine Enttäuschung. Man leidet nicht voller Wonne mit, sondern möchte einfach nur abschalten, weil man das Elend von Mapleton nicht mehr ertragen kann.

David Lynch hatte damals mal eine Idee für eine weitere Mysterie-TV-Serie. „Mullholland Drive“ sollte sie heißen. Als die Senderverantwortlichen den Piloten sahen, lehnten sie dankend ab. Lynch machte einen Kinostreifen draus. Natürlich ohne Auflösung der vielen Mysterien.

Vielleicht wäre dies auch das Richtige für „The Leftovers“ gewesen.

  • Originalfassung von „The Leftovers“ ab 30. Juni über Sky Go abrufbar
  • Die synchronisierte Fassung ab Herbst auf Sky Atlantic HD

Aber nun zurück zu „Lost“.

Denis
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Denis

Redaktionsleiter bei NWZonline
Denis Krick (für immer 42) ist Rollenspieler, Comicleser, Serien- und Filmnerd, Gamer (wenn die Familie schläft) und wahrscheinlich Oldenburgs ältester Hiphopper. Am liebsten besucht er die Drehorte seiner Lieblingsserien & -filme auf der ganzen Welt.
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