Die 10 besten Filme von Woody Allen

Der nervöse Kerl mit der Brille ist längst eine Ikone des Kinos – auch wenn er seit seiner Liaison mit der Stieftochter seiner Ehefrau Mia Farrow sicher nicht zu den Sympathieträgern des Massenpublikums gehört. Immer noch erscheint jedes Jahr ein neuer Film von Woody Allen (Bild: dpa) in den Kinos, und manche erwarten ihn wie den Besuch eines alten Freundes. Ich gehöre dazu, auch wenn der Meister inzwischen oft schnöde Fingerübungen anbietet: „Scoop“ war so ein öder Film, aus dem allein Scarlett Johansson herausglüht – und Allen umso tatteriger dreinblicken lässt.

Doch was hat der heute 80-Jährige für ein Werk geschaffen! Frühe Anarcho-Perlen führen bewusst die Tradition der Marx-Brothers fort. Dann wollte er wie sein großes Idol Ingmar Bergmann sein, drehte karge Dramen wie „Innenleben“ und versuchte sogar, auf jene Filmmusik zu verzichten, die er so liebt. Schließlich hat er die Synthese geschafft und wundervolle Ensemblefilme gedreht, die Witz, Drama und Musikalität einzigartig vereinen.

Happy Birthday, Woody Allen! Es war gar nicht einfach, NUR zehn deiner schönsten Filme aufzulisten.

10. Bananas, 1971

Anarchistisches aus der Frühzeit: Woody spielt einen Produkttester, der über Umwege zum Führer eines lateinamerkanischen Staates aufsteigt. Woody gegen die Tücke des Objekts ist Slapstick auf Modern-Times-Niveau, der schlecht angeklebte Castro-Bart gemahnt an Groucho Marx. Es gibt so viele Woody-Allen-Filme, die ich gern unter den Top Ten hätte, aber für Bananas zurückstelle. Allein die Szene mit dem irren Dolmetscher am Flughafen ist es wert.

9. Matchpoint, 2005

In Routine erstarrt wähnte man Woody Allen zur Jahrtausendwende, dann kam „Matchpoint“. Hier kaspert kein überspannter Intellektueller durch laute Straßen, weder in Woody- noch in Alter-Ego-Gestalt. Wir sehen den smarten Jonathan Rhys Meyers in Versuchung zwischen dem Luxusleben, das ihm seine Ehefrau bietet, und den Reizen Scarlett Johanssons. So unverzwergt sieht man den Konflikt zwischen Lebensstandard und Liebe nur selten auf der Leinwand.

 

8. Die letzte Nacht des Boris Gruschenko (Love and Death), 1975

Herrlich albern und anspielungsreich: Vor dem Hintergrund der napoleonischen Kriege spielt Woody einen russischen Tollpatsch, den es an die Front verschlägt. Dieser Film gehört zu den schillerndsten im Werk des Meisters. Ein bisschen wie das Weiße Album der Beatles: Alles drin!

7. Manhattan, 1979

Allein der Prolog ist Filmgeschichte. Schriftsteller Isaac ringt um Worte für eine Hommage an seine Stadt. „New York war seine Stadt – und würde es immer sein“, schließt er. Dann Gershwins „Rhapsody in Blue“ über Ansichten der Großstadt. Nicht der bessere, aber der ästhetischere „Stadtneurotiker“.

6. Sweet and Lowdown, 1999

Das Juwel unter den vielen kleinen Filmen im Spätwerk. Wir sehen die fiktive Biografie des Jazz-Gitarristen Emmet Ray, der sich im Schatten Django Reinhardts die Finger wund spielt. Was Sean Penn vor grandioser Kulisse zelebriert, ist eine Liebeserklärung an die Musik überhaupt, so schön, lustig und poetisch wie in kaum einem anderen Film.

5. Verbrechen und andere Kleinigkeiten (Crimes and Misdemeanors), 1989

Komödie und Drama finden in diesem Film perfekt zusammen. Woody spielt den verzweifelt Liebenden diesmal nur in der Nebenhandlung. Im Zentrum steht ein angesehener Augenarzt, der von seiner Geliebten erpresst wird und einen Killer anheuert, um sie zu beseitigen. Schuld und Sühne, Komik und Tragik in einem perfekten Meisterwerk.

4. What’s up, Tiger Lilly? (1966)

Man nehme Szenen aus obskuren japanischen Agentenfilmen und schneide sie zu einer neuen Geschichte zusammen.  Was nach einem frühen Tarantino klingt, ist das Regiedebüt von Woody Allen – und ein absoluter Gutelaunefilm für Nerds. Heute wird dieser Film meist als Kuriosität abgetan, doch ein Wiedersehen lohnt sich.

3. Hannah und ihre Schwestern (Hannah and her Sisters), 1986

Allen im Zenit: Dieser Film ist wohl der schönste in der Reihe grandioser Ensemblefilme, zu denen auch „Verbrechen und andere Kleinigkeiten“ gehört. Mia Farrow ist Hannah, Schauspielerin und Mauerblümchen. Ihr Ehemann, gespielt von Michael Caine, hat sich längst in ihre Schwester Lee verguckt. Woody Allen setzt mit überragenden Darstellern einen Reigen in Szene, in dem er selbst nur als – wie üblich komische – Randfigur erscheint. Viele halten „Hannah und ihre Schwestern“ für Allens besten Film. Es spricht wenig dagegen.

2. Der Stadtneurotiker (Annie Hall), 1977

Zumindest für das deutsche Publikum wird Woody Allen immer der Stadtneurotiker sein. Auch, weil Allen hier trickreich eine Pseudobiographie auffährt – den erzählenden Ansagen direkt in die Kamera kann man schon mal auf den Leim gehen. Doch bei aller Kunstfertigkeit sollte man nicht übersehen: „Annie Hall“ ist vor allem ein wundervoller Pärchenfilm. Das ist es, was diesen Klassiker wirklich unsterblich macht.

1. Zelig, 1983

Der gerissenste aller Woody-Allen-Filme und noch heute ein Stachel im Fleische aller Guido-Verknopptheit: Allen wird in dieser Fakedokumentation zu Leonard Zelig, dem menschlichen Chameleon. Angeblich eine Sensation in den USA der Roaring Twenties, denn Zelig hat die Fähigkeit entwickelt, sich seiner Umgebung perfekt anzupassen. Er wechselt Haarwuchs, Hautfarbe und Fähigkeiten, um sich in Ebenbilder jener Menschen zu verwandeln, die ihn gerade umgeben. Woodys markantes Brillengesicht wird täuschend echt in historische Aufnahmen gebettet, ein Sprecher erzählt seine Geschichte aus dem Off. Sogar vermeintliche Zeitzeugen und echte Koryphäen wie Susan Sontag und Nobelpreisträger Saul Bellow kommentieren das Geschehen als Experten. Virtuoser inszenieren auch heutige Dokumentationen nicht das vermeintlich Faktische. Lasst Forrest Gump doch laufen, wie er will. Leonard Zelig ist schon da.

 

 

Timo

Timo Ebbers (37) glaubt nicht an ein Leben nach Hollywood und könnte sich durchaus vorstellen, ein Zimmerchen im Edith-Ruß-Haus für Medienkust zu bewohnen.