Auf einen Drink mit Hitchcock

 

Von Antje Brüggerhoff

Gerade erst habe ich etwas über den aktuellen Film Victoria von Sebastian Schipper aus Oldenburg gelesen, der auf der Berlinale gezeigt wurde. Das Verrückte: Schipper drehte den Film in einer einzigen Kameraeinstellung, ohne Schnitt. Das kam mir doch irgendwie bekannt vor, und ich erinnerte mich an einen tollen Filmklassiker: Cocktail für eine Leiche von Alfred Hitchcock (Bild: dpa).

Hitchcock, dieser Name steht nicht nur für 100% Direktsaft aus Zitrone und Limette pur, nein, dahinter verbirgt sich auch ein, in meinen Augen, brillanter britischer Regisseur und Produzent, der von 1899 bis 1980 gelebt hat. „Cocktail für eine Leiche“ (Original: Rope, 1948) gilt als experimentelles Werk, er kommt ohne großen Schnickschnack aus und wird zum Beispiel nur in einem Raum gespielt. Auch Hitchcock drehte ihn scheinbar ohne einen Filmschnitt. Tatsächlich weiß man inzwischen, dass es damals nicht die technischen Mittel dafür gab, da eine Filmrolle nur äußerst begrenzt aufnehmen konnte, aber dennoch: toller Effekt.

Cocktail für eine Leiche basiert auf einem Theaterstück. Zu sehen sind neben einem meiner Lieblingsschauspieler, dem George Clooney der Fünfzigerjahre, James Stewart (als Rupert Cadell) auch die ebenfalls grandios Spielenden John Dall (als Brandon) und Farley Granger (als Phillip).

Worum geht’s? Die beiden Studenten Brandon und Phillip begehen direkt zu Beginn des Filmes einen Mord, und das sogar an ihren Studikollegen. Das nicht etwa, weil er ihren Mate Tee getrunken oder ihren Jutebeutel verbummelt hat, sondern, und das ist das Besondere: Die beiden sehen Mord als intellektuelle Herausforderung. Nachdem sie ihr Opfer erwürgt und in einer Kiste verstaut haben, geben sie eine kleine „Party“, naja, wie man in den späten Vierzigern eben gefeiert hat.

Unter den Gästen sind unter anderem auch der Vater und die neue Freundin des Ermordeten und der ehemaligen Dozent der Jungs: Rupert Cadell. Der ist äußert gewieft und so hält sich den ganzen Film über eine wundervolle und atemraubende Spannung: Ob Rupert wohl den Mord der Bengel herausfindet? Ein tolles Katz und Maus-Spiel. Viel Action braucht der Film nicht, denn allein die unterschwelligen Töne und kecken Wortwechsel lassen die Bäuche kribbeln, ganz besonders, wenn die Gespräche während der Party das Thema Mord aufgreifen und den Mörder Philipp ganz schön schwitzen lassen.

Cocktail für eine Leiche ist nur ein Beispiel für einen tollen Hitchcock-Klassiker, der in keinem DVD-Regal fehlen sollte, und gleich neben bekannteren Filmen von ihm wie Die Vögel, Psycho oder Das Fenster zum Hof stehen sollten. Gern empfehle ich aber auch unbekanntere Streifen wie Bei Anruf Mord oder Das Rettungsboot.

Also, bevor ihr euer nächstes Wochenende damit verbringt eure Katze zu bürsten oder Klingonisch zu lernen: Schaut euch doch lieber mal einen Film von diesem großartigen Menschen, ja, dem Elvis Presley des Filmemachens an… Ach so, und falls euch dieser Name nun auch nichts sagt: Tja, das ist eine andere Geschichte…

Timo

Timo Ebbers (37) glaubt nicht an ein Leben nach Hollywood und könnte sich durchaus vorstellen, ein Zimmerchen im Edith-Ruß-Haus für Medienkust zu bewohnen.