Bis bald, Post-Apokalypse. Ich komm wieder!

Spoilerwarnung: OldenNerd Björn hat „Fallout 4“ in den vergangenen Tagen ausführlich getestet – und hat trotzdem noch kaum etwas der riesigen Welt gesehen. Dieser Bericht enthält einige Details zur Story. Wenn ihr euch also überraschen lassen wollt, sollte ihr den Teil „Zu Story und Setting“ einfach überlesen. Außerdem gibt es in diesem Bericht teils drastische Schilderungen von Gewalt – nicht umsonst ist das Spiel ja auch mit dem FSK18-Siegel versehen.

 

Mein Hund hat ihn gewittert, lange bevor ich ihn sehe. Ich merke erst am eigenen Stöhnen und den roten Blutspritzern auf dem Bildschirm, dass mich ein wilder Guhl anfällt. Und er hat seine Freunde mitgebracht. Die ersten Kugeln fliegen ins Nichts. Bis ich mich orientiert habe, bin ich schon eingekesselt von den blutrünstigen Bestien, die mich von allen Seiten bearbeiten. Ein paar Schläge mit dem Gewehrkolben und ich habe mich wenigstens etwas befreit, sprinte und bringe mich auf Distanz. Dann der schnelle Wechsel auf die doppelläufige Schrotflinte, zwei Kopftreffer und der erste liegt. Vielmehr platzt er vor meinen Augen in eine blutige Wolke. Nachladen, nochmal zwei Treffer. Mein treuer vierbeiniger Begleiter beißt sich in einem weiteren Guhl – so eine Art Zombie, aber mit durch Strahlung verfaultem Gehirn – fest, reißt ihn zu Boden, wo ich ihm mit zwei kräftigen Schlägen mit der Eisenstange den Garaus mache. Das wäre geschafft. Ein Stimpak – eine Heilungsspritze – eine für mich, eine für meinen Hund „Dogmeat“ und es geht uns beiden wieder etwas besser. Weiter geht die Suche im post-apokalyptischen Ödland von „Fallout 4“.
Kaum ein Titel – mal abgesehen vom „Star Wars“-Shooter Battlefront – ist in diesem Jahr so herbeigesehnt worden wie das comichaft-schöne und brutale Spiel aus dem Hause Bethesda. Denn es ist mehr als eine stupide „America-fuck-yeah“-Ballerorgie deren Namen wir an dieser Stelle nicht nennen: „Fallout 4“ ist Shooter, komplexe Wirtschaftssimulation und Rollenspiel in einem. Und es verbindet alle diese Merkmale mit einem kuriosen, manchmal anstößigen und in kaum einem Fall jugendfreien Humor, der schon nach wenigen Stunden im Spiel diverse „What-the-fuck?“-Momente hervorgebracht hat.

 

Zu Story und Setting

Kurz zum Setting: Die gesellschaftliche Revolution der 1960er-Jahre hat niemals stattgefunden, stattdessen finde ich mich auch zum Spielbeginn im Jahr 2077 in der der heilen Welt der 50er wieder. Ein kleiner Vorort von Boston, gepflegter Garten inklusive, aus dem Radio dudelt Schlager-artige Berieselungsmusik und selbstverständlich trifft der Herr des Hauses alle Entscheidungen allein. Der Vertreter an der Haustür wirkt zunächst wie ein nerviges Gadget, will mir den sogenannten „Vault“ schmackhaft machen. Ich halte ihn etwas hin, stimme zu und will mich wieder dem Alltag zuwenden.

Doch schon kurze Zeit später werde ich aus der Idylle herausgerissen: Atomalarm, ich fliehe mitsamt Frau und Kind zu eben jenem „Vault“, einer unterirdischen Bunkeranlage, wo ich und einige andere eingefroren werden, um hoffentlich nach der Katastrophe wieder aufgeweckt zu werden und mein Leben weiterzuleben. Natürlich kommt alles anders: Stocksteif muss ich in meiner Eiskammer mit ansehen, wie meine Frau erschossen und mein Sohn geraubt werden. Kurze Zeit später wache auch ich aus dem Tiefschlaf auf und suche den Ausgang aus meinem unterirdischen Verließ. Was mich wohl an der Oberfläche erwartet?

Not much: Zerstörung allerorten, die 200 Jahre seit meiner Schockfrostung waren nicht gnädig zum vormals amerikanischen Vorzeigeland. Riesige Insekten fallen mich an, Maulwurfsratten, herumstreunende Mutantenhunde und die allgegenwärtigen Raider, Banditen der Postapokalypse. Ich schlage mich allein durch, erst nach und nach treffe ich auf andere, vernünftige Menschen und kann mir, zarte Hilfestellungen erarbeiten.

Und so streune ich, bald begleitet vom besten Freund des Menschen, durch die Ödnis. Oft schleichend, immer vorsichtig: Denn nicht nur mir feindlich gesinnte Menschen, Riesenratten und die immer häufiger werdenden Mutantenwesen, die weit mehr als ein paar Kugeln mit einem Lächeln einstecken, machen mir zu schaffen. Auch die Umwelt selbst ist zunehmend feindlich: Esse oder trinke ich gefundene Nahrungsmittel, steigt meine Strahlenbelastung. Jede Berührung mit Wasser verstrahlt mich, immer unterlegt mit dem typischen Knacken eines Geigerzählers, und dann ist da natürlich noch der Fallout, der zunächst als harmloser, gelber Regen daherkommt, sich aber schnell schlecht auf meine Gesundheit auswirkt.

Go go Powerrüstung!

Gott sei Dank (obwohl man in der Dystopie von „Fallout 4“ durchaus an dessen Existenz zweifeln mag) gibt es Gegenmittel: Bestimmte Kleidungsstücke machen mich resistenter gegen die Strahlung. Medikamente, die ich an speziellen Stationen sogar selbst mischen kann (habe ich denn die passenden Grundstoffe fleißig eingesammelt), helfen auch. Und meine Waffen werden stärker, präziser und verrückter (Kerr, wat freu ich mich auf die Mini-Atombomben-Schleuder). Ganz zu schweigen von meiner Powerrüstung, die mich unempfindlicher, aber nicht unverwundbar macht.
Denn „Fallout 4“ lebt, wie schon seine Vorgänger, von einem ausgefeilten System von sammeln, handeln, tauschen, manchmal auch stehlen – je nach den eigenen Bedürfnissen. Für fast jede Waffe und fast jeden Rüstungsgegenstand gib es Upgrades. Um die herzustellen benötige ich aber diverse kleine Artikel wie Stahl, Kleber, Schaltkreise, Stoff, Zahnräder oder Schrauben. Aber: Desto besser die Waffe oder Rüstung, desto besser meine Überlebenschancen gegen größere Gegner oder Gegnerhorden und damit auch meine Beute, aus der ich wiederum bessere Waffen, Rüstungen, etc. herstellen kann. The bigger the better also – das gilt genauso für das eigene Inventar als auch für die Gegner.

Doch manche Ressourcen, besonders natürlich die herstellungskritischen, sind Mangelware im postapokalyptischen Wasteland. Das gilt übrigens auch für Munition. Klar, die Minigun, die ich nach einer knappen Stunde aus einem abgestürzten Fluggefährt reiße, ist ganz nett und hilft auch gegen die erste Todeskralle. Aber mit deren Ableben ist auch die Munition hierfür fast alle: Ich kann also nicht einfach weitermarschieren und alles niedermähen, was mir in den Weg kommt. Und wieder sind meine Fähigkeiten als Anschleicher und Meuchelmörder gefragt.
Und diese Fähigkeiten kann ich immer weiter verbessern: Denn das Skill-Menü erlaubt mir, Erfahrungspunkte in neue Fähigkeiten umzusetzen: Mehr Schaden, Wiederstandfähigkeit, aber auch mehr Charisma und wissenschaftliche Fähigkeiten. Nach einem Wochenende im Ödland habe ich nur einen sehr kleinen Teil der gesamten Möglichkeiten, der gesamten Welt von „Fallout 4“ kennengelernt.

Damn you, Bethesda!

Viele verregnete Nachmittage und Abende werde ich also noch bestreiten können, um das verwilderte Bostoner Umland kennenzulernen, zu schleichen, zu meucheln, zu looten. Zumindest theoretisch, denn mehr als einmal landete der Controller schon unsanft in der Ecke des Sofas, ein lautes „Verdammte Sch… noch eins!“ entfuhr mir. „Fallout 4“ macht vieles richtig, sogar überragend und besser als seine Vorgänger. Aber es macht eben auch die gleichen Fehler: Mal scheint die Grafik, sonst wirklich schön anzuschauen, mit ihren Möglichkeiten überfordert und ich stehe vor einer unsichtbaren Wand oder kann durch eine sichtbare hindurch spazieren. Dann braucht der Nachlade-Button, der wohl wichtigste in den Actionsequenzen, nicht nur gutes Zureden, sondern kräftige Traktierung, um die Waffe wieder schussbereit zu machen. Oder ich schlage, wie eingangs, wild durch die Luft statt auf die Schädel meiner Gegner ein. Viele Tode werden gestorben, nicht nur auf dem Bildschirm.
Trotzdem komme ich gerne wieder. Zurück ins Ödland.

 

 

Björn

Björn

Serienaficionado, Gamefanatic, Musiknerd und bekennendes Web 2.0-Opfer mit einer besonderen Vorliebe für jedweden Schwachsinn, den das Netz zu bieten hat.
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