Philippe Mora – zwischen Nazis und Engelsgesichtern

Das Filmfest Oldenburg (10. bis 14. September) hat einen Ehrengast verkündet: den australischen Regisseur Philippe Mora. Ihm wird die diesjährige Retrospektive gewidmet. Am 12. September wird Mora dann im Rahmen einer Gala den German Independence Award entgegennehmen.

In der Pressemitteilung des Filmfests heißt es:

„Das Internationale Filmfest Oldenburg feiert mit der Philippe Mora Retrospektive einen der erstaunlichsten und vielschichtigsten Filmemacher unserer Zeit. Australiens solitärer Nouvelle-Vague Künstler, getrieben von historischer Spurensuche und unerschöpflicher kreativer Energie. Patensohn von Marcel Marceau, Zimmergenosse von Eric Clapton, die Entdeckung der Londoner Kunstszene der 60er Jahre, Pionier des australischen Kinos in den Vereinigten Staaten, Ikone des Horrorkinos der 80er und unermüdlicher Filmdokumentarist.“

Interview mit Phlippe Mora 2012

Mora kam 1949 in Paris als Sohn eines deutsch-jüdischen Résistance-Kämpfers und einer französisch-jüdischen Künstlerin zur Welt. Die Familie zog kurz darauf nach Melbourne, wo seine Eltern eine der einflussreichsten Kunstgalerien ihrer Zeit gründeten. Genau wie seine Geschwister wuchs er zu einem erfolgreichen Künstler heran. Seine ersten Filme drehte Mora schon als Teenager in Australien – eine Parodie der „West Side Story“ und eine Hommage an Fellinis „Achteinhalb“ – bevor es ihn als 17-jährigen nach England trieb und er tief ins pulsierende Herz Londons und der wilden 60er eintauchte. Er wurde zum erfolgreichen Kunst-Newcomer – mit Ausstellungen in London und später in Deutschland, wo er sich an Joseph Beuys’ und Erwin Heerischs Befreiung des deutschen Kunstmarkts beteiligte.

Als Filmemacher sorgte Mora kurz darauf zunächst mit seinen Dokumentationen für Aufsehen. In „Swastika“ stellte er alltägliche Aufnahmen aus Eva Brauns Privatarchiv Bildern der Nazi-Propagandamaschine gegenüber. Mora gab damit einen neuen Blickwinkel auf die Naziherrschaft. In der Washington Post schrieb Kenneth Turan 1974:

„In Wirklichkeit ist Swastika, auch wenn er schwierig anzunehmen ist, der wirksamste unter den Anti-Faschismus-Filmen, einfach weil er uns zeigt, was Menschen oftmals zu vergessen scheinen. Eine Lektion, die nicht oft genug gelernt werden kann: Dass Hitler und seine Anhänger keine Teufel oder nachgebildeten Roboter waren, sondern im Alltag sogar normale Menschen, die in ihrer Freizeit nicht vom Rest von uns zu unterscheiden sind.“

„Normale Menschen“: Eva Braun turnt am Strand, Hitler streichelt einen Hund und lässt sich selbst von einem Baby ins Gesicht tatschen.

Der Film löste bei seiner Premiere in Cannes 1973 einen Skandal aus – die Vorführung wurde gestoppt.

Mitte der 70er Jahre durfte sich Phlippe Mora mit dem Outlaw-Biopic „Mad Dog – Der Rebell“ mit Dennis Hopper in der Titelrolle als einer der ersten australischen Regisseure über einen landesweiten Verleih in den USA freuen. Der Film gilt heute als einer der herausragenden Australischen Filme der Dekade.

1982 später gab Phlippe Mora sein US-Debüt mit dem Horrorfilm The Beast within, auf Deutsch: „Das Engelsgesicht“.

Zurück in seiner Heimat inspirierten ihn seine Hollywood-Erfahrungen zu der ausgelassenen Superhelden Persiflage „The Return of Captain Invincible“, der sich schnell zu einem Kultfilm entwickelte.

Es folgten der Ökothriller „Die Brut des Adlers“ und seine beiden Fortsetzungen von Joe Dantes „Das Tier“, mit denen er sich eine große und dauerhafte Anhängerschaft unter Genrefans sicherte. Nach der Jahrtausendwende widmete sich Mora dann wieder häufiger der dokumentarischen Geschichtsaufarbeitung, sei es mit seinem Ausflug in die 60er, „The Times They Ain’t a Changin’“ oder mit „German Sons“, einer Dokumentation, in der er gemeinsam mit seinem Freund Harald Großkopf ihre beiden Herkunftsgeschichten erzählt – auf der einen Seite Mora als Sohn eines deutschen Juden und Resistance-Kämpfers, auf der anderen Seite Großkopf als Sohn eines Nazis:

Auch Moras jüngste Werke sehen sich in der Geschichte um – aber diesmal als Spielfilme: zum einen „Absolutely Modern“ mit seiner modernistischen Story über die Moderne.

Zum anderen „The Sound of Spying“, ein Musical über die Spione des Kalten Kriegs.

 

Jantje

Jantje

Online-Redakteurin bei NWZonline
Jantje Ziegeler (Jahrgang '85) ist im Herzen zwar eine Prinzessin, findet ihren Job als Journalistin aber auch allererste Sahne.
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