Bei diesen Filmen müssen die Onlineredakteure weinen

Jeder saß schon mal im Kino oder auf dem Sofa und hat Rotz und Wasser geheult. Oder zumindest ein paar Tränchen verdrückt. Bei welchen Filmen haben wir mal geweint?, fragten wir Onlineredakteure uns in einer Kreativpause. Wir stellten fest, dass selbst die Hartgesottensten unter uns große Heulsusen sind. (Foto: Imago)

 

Inga: Honig im Kopf

Ausgerechnet ein Til-Schweiger-Film! Peinlich ist es mir schon, aber „Honig im Kopf“ war zu schön – und zu traurig. Mal war der Film über den an Alzheimer erkrankten Amandus (Dieter Hallervorden) witzig-rührend, mal rührend-traurig. Aber immer rührend. Dieser Mix, diese rasante Berg- und Talfahrt der Gefühle, die Verquickung von vordergründig komischen mit unendlich traurigen Situationen, war zu viel für mich. Amandus‘ verwirrter, verzweifelter Blick und sein Entsetzen über das eigene Vergessen und die fortschreitende Hilflosigkeit erwischten mich völlig unvorbereitet.

Im Restaurant zum Beispiel weiß Amandus noch nicht einmal mehr, was er gerne isst. So offensichtlich Schweiger auf die Tränendrüse drückt – Szenen wie diese waren unerträglich für mich. Schrecklich auch, dass zunächst niemand mit Amandus‘ Pannen umzugehen weiß, geradezu mit Wut oder Kaltherzigkeit reagiert. Nur Enkelin Tilda (Emma Schweiger) hat Verständnis und macht sich mit dem Opa auf seine letzte große Reise nach Venedig.

Verschärfend kam hinzu, dass ich zwei Freundinnen dabei hatte, die ebenfalls heulten wie die Schlosshunde. Die eine krallte sich immer wieder fest in meinen Oberschenkel. Hatte ich mich gerade etwas gefangen, steckten die anderen mich sofort wieder an und das Flennen ging weiter. Ganz furchtbar war die Szene, in der Großvater Amandus seine Enkelin Tilda, seine „kleine Prinzessin“, nicht mehr wiedererkennt.

Mit Taschentüchern kamen wir nicht mehr hinterher – wahrscheinlich auch, weil jeder schon einmal erlebt hatte, wie ein alter Mensch vergesslich wird und seine Liebsten nicht mehr beim Namen nennen kann. An Wein und Kneipe war nach dem Kino nicht mehr zu denken, wir waren fix und fertig. Aber dieses Erlebnis hat uns als Freundinnen sehr zusammengeschweißt.

 

Norbert: Wenn der Wind weht

Dürfen Männer bei Filmen weinen? Dürfen sie! Vielleicht nicht grad schrill quiekend und mit wedelnden Händen vorm Gesicht – aber wenn die Augen vor Rührung oder Traurigkeit feucht werden, muss uns ja nicht gleich ein Ei abfallen. Mein Tränenzieher Nr. 1 ist der britische Endzeit-Zeichentrickfilm „Wenn der Wind weht“. Ganz knapp vor „Shadowlands“ mit Anthony Hopinks.

Bei einem Trickfilm feuchte Augen? Ja! Denn die Rentner Jim und Hilda sind ein wunderbar liebenswertes Paar – und ihr Schicksal ist erbärmlich. Inmitten von typisch britisch grünen Hügeln leben die beiden in einem kleinen Häuschen. Der dritte Weltkrieg steht bevor und Jim versucht auf vertrauensselige Weise anhand einer staatlichen Broschüre einen Schutzraum im Haus zu bauen. Dabei können die beiden mit Atombomben nicht viel anfangen und romantisieren die Zeit vom letzten Weltkrieg: die abenteuerliche Zeit im mit Kresse bepflanzten Luftschutzkeller, der Zusammenhalt, die Siegesfeiern.

Jim und Hilda sind voller Zuversicht, dass am Ende wieder alles gut geht. Auch nachdem die Bombe fällt und ihr Häuschen nur noch eine dreckige Ruine ist, stecken sie voll mit naivem Optimismus. Die Versicherung wird’s schon bezahlen, die Post und die Zeitung kommen dann halt morgen, Hilfe ist schon unterwegs. Nie verlieren sie die Hoffnung, dass die Regierungskräfte die Ordnung wieder herstellen.

Dabei geht es Jim und Hilda von Tag zu Tag schlechter. Sie husten Blut, verlieren Haare, haben furchtbare Schmerzen. Jedes Mal, wenn sich das dahinsiechende Paar wieder auf rührende Weise liebevoll Mut zuspricht, drückt es beim Zuschauer mehr in der Magengrube – Tränensäcke füllen sich. Das Ende ist kaum noch zu ertragen.

 

Irmela: P.S. Ich liebe Dich

Den mit Abstand tränenreichsten Filmabend hat mir das Liebesdrama „P.S. Ich liebe Dich“ beschert. Darin geht es um das Ehepaar Gerry und Holly Kennedy. Als Gerry an einem Hirntumor stirbt, hinterlässt er Holly zwölf Briefe, die ihr auf unterschiedlichen Wegen zugestellt werden. Die Briefe enthalten Aufgaben, die Holly zu bewältigen hat. So soll sie ihre Trauer bewältigen und zurück ins Leben finden. Alle Briefe enden mit dem Satz „P.S. Ich liebe Dich“.

Ich habe den Streifen allein zuhause auf dem Sofa angeschaut, so konnte ich meiner Ergriffenheit über das wohl schmerzlich-schönste Lebewohl der Filmgeschichte freien Lauf lassen hingeben.

 

Denis: Heimweh

Ich habe geweint wie ein Schlosshund. Als achtjähriger Butschie genauso wie später als erwachsener Mann: Die allererste Lassie-Verfilmung aus dem Jahr 1943 ist an Drama und tragischen Wendungen nicht zu überbieten. Immer und immer wieder wird der treue Collie seiner kleinen Familie entrissen – und immer und immer wieder kehrt er nach anstrengender Reise zurück. Es ist zum Heulen. Aber schön. Einfach wau!

 

Amina: Silencio roto

Es ist dieser Ausdruck in ihren Augen. Lucía sitzt im Bus, verlässt ihr Dorf – und blickt noch ein letztes Mal zurück zu dem Berg, wo sich Manuel versteckt hatte. Es ist das Jahr 1944. Die Republik hat den Spanischen Bürgerkrieg längst verloren und Diktator Francisco Franco ist an der Macht – doch der Widerstand setzt sich im Untergrund fort. Eine Zeit, über die in der spanischen Gesellschaft bis in die 90er-Jahre ungern gesprochen wurde. Doch der baskische Regisseur Montxo Armendáriz brach 2001 mit „Silencio Roto“ endgültig das Schweigen und erzählt von einem Dorf, das von den Franco-Schergen unterdrückt und schikaniert wird. Es ist das Dorf von Lucía, in das sie nach neun Jahren zurückkehrt und in dem sie Manuel wiedertrifft. Kurz darauf schließt sich Manuel einer Widerstandsgruppe, der „maquis“, an, versteckt sich in den Bergen und kämpft gegen die Soldaten.

Armendáriz erzählt Lucía und Manuels Geschichte und die des Dorfes mit einer fast brutalen Ruhe und Ausdauer, die eine ständige Angespanntheit erzeugen. Das, was man ahnt, wird passieren: Manuel stirbt. Doch es ist nicht diese Szene, die zum endgültigen Tränen-Ausbruch führt. Es ist eben dieser Blick, dieser Ausdruck in Lucías Augen, als sie das Dorf verlässt, der bei der Premiere auf dem Filmfest im schweizerischen Locarno fast zehntausend Menschen die Tränen in Bächen die Wangen runterfließen lässt – und den ich wohl nie vergessen werde.

 

Timo: Midnight Cowboy (1969)

Wo ist dieser Joe Buck?! Mit diesen Worten beginnt einer der schönsten Filmprologe überhaupt: Joe Buck (Jon Voight) steht fröhlich singend unter der Dusche, während im Diner alle nach dem Tellerwäscher schreien. Denn mehr ist aus diesem Joe Buck in der texanischen Provinz nie geworden. Vor dem Diner ragt die riesige Leinwand eines Autokinos empor, von der diesem Joe Buck nur allerlei Flausen in den Kopf gehüpft sind. Das Kaff ist zu klein für dich! In der Stadt wartet das große Geld! Joe schnürt die Stiefel und setzt sich in den nächsten Bus nach New York, um betuchten Ladys teure Dienste anzubieten. Einem Mietrammler vom Land, meint er, stehen alle Türen offen.

 

Die Leichtigkeit der Eröffnungsszene, musikalisch kongenial untermalt von Harry Nilssons „Everybody’s talkin'“, ist verführerisch. Man folgt diesem liebenswerten Großmaul nur zu gern nach New York, wo es sich abgelebten Schabracken an den Hals wirft. Und die denken gar nicht daran, sich von dem Greenhorn übertölpeln zu lassen. Joe zahlt ordentlich Lehrgeld, und wir Zuschauer haben gut lachen.

Joe verbündet sich schließlich mit einem Kleingauner namens Rizzo (Dustin Hoffman), der ein Bein nachzieht. Sie taumeln durch New York, einer Stadt, die viel zu groß und zu brutal für sie ist. Spätestens, als Rizzo von einem Taxi angefahren wird, begreifen wir die existenzielle Not dieser Männer. „I’m walking here!“, schreit Rizzo in einem Moment verzweifelter Selbstbehauptung. Das Spiel ist vorbei, auch für uns Zuschauer.

Die Großstadt macht Rizzo krank. Joe packt seinen einzigen Freund in einen Bus und reist mit ihm in den Süden. Letzte Hoffnung: Miami. Doch während Joe noch während der Fahrt Cowboystiefel und Weste gegen leichte Shirts tauscht, geht es mit Rizzo bergab. Joe kämpft um Rizzos Würde, nennt ihn nun Rico, wechselt ihm im Bus die vollgepinkelten Hosen. Wir Zuschauer haben Nilssons  „Everybody’s talkin‘ at me. I don’t have words to say“ noch im Ohr, als Rico auf seinem Sitz zusammensackt. Und wenn Joe inmitten gaffender Fahrgäste nichts weiter tun kann, als den Arm um seinen toten Freund zu legen, bricht es mir das Herz.

 

Jantje: Jenseits der Stille (1996)

Wie klingt der Schnee? Normalerweise sind es Kinder, die ihre Eltern mit Fragen über die Welt löchern. Doch in Laras Welt ist das anders. Ihre Eltern sind beide gehörlos – sie selbst ist es nicht.

Und so fungiert Lara von kleinauf als Dolmetscherin: bei Liebesfilmen für ihre Mama, beim Gespräch mit dem Klassenlehrer, bei Telefonaten, bei Geräuschen der Umwelt. Lange Zeit geht das irgendwie gut, das Trio kommt zurecht. Aber als Lara die Musik, das Klarinettespielen, mehr und mehr als Leidenschaft für sich entdeckt, setzt das zwangsläufig einen Prozess des Abkapselns in Gang. Der Konflikt eskaliert letztlich zwischen Lara und ihrem Vater. „Ich halt’s hier nicht mehr aus! Ich halt die Stille nicht mehr aus in diesem Haus!“, knallt sie ihm an den Kopf.

Auf jeden Moment, auch die eigentlich glücklichen, legt sich in „Jenseits der Stille“ eine gewisse Schwere und Melancholie, nicht zuletzt durch die Musik. Aber ganz sanft. Nur in einer Szene – da bricht dann plötzlich doch die ganze Welt zusammen…

„Sie ist in ihrem Herzen fröhlich und wild und gleichzeitig ist sie traurig und nicht wirklich frei“, sagt Lara über ihre Musik. Es ist zugleich eine treffende Beschreibung ihres eigenen Lebens.

 

Danielle (Praktikantin und Filmliebhaberin): Titanic

Ich weine natürlich bei „Titanic“, dem Klassiker. Er, Jack (Leonardo diCaprio), ein Junge aus der Gasse – sie, Rose (Kate Winslet), ein Mädchen aus der Oberschicht der Gesellschaft. Die beiden lernen sich auf dem Schiff „Titanic“ kennen, als Rose sich, von der Mutter und dem Verlobten in ihren Entscheidungen bevormundet, von der Reling stürzen will. Er kann sie davon abbringen und es entwickelt sich, trotz Vereitlungen durch die Mutter und den Verlobten, eine Romanze zwischen den beiden.

Als das Schiff untergeht, opfert Jack sein Leben für Rose. Die Verzweiflung in ihrer Stimme, als sie nicht glauben will, dass er erfroren ist – meiner Meinung nach eine sehr dramatische Szene. Hinzu kommt der Moment, in dem sie seine Leiche in die Tiefen des Ozeans hinabsinken lässt – auch eine Stelle, an der bei mir alle Dämme brechen.

Inga Wolter

Tagsüber immer für eine gute Geschichte zu haben. Nachts als Lois Lane im Einsatz, heißt es aus vertrauenswürdigen Quellen.