Super, Mario! Ein Klempner treibt mich in den Wahnsinn

Weihnachten, Mitte der 90er Jahre, in dem Wohnzimmer meines Elternhauses. Genauer gesagt: Unterm Weihnachtsbaum. Meine zwei Schwestern haben eine Spielekonsole geschenkt bekommen. Eine Super-Nintendo.

Zum Themendienst-Bericht von Tobias Hanraths vom 23. April 2015: Die Spielkonsole Super Nintendo gibt es in guten Zustand und mit einigen Spielen mit etwas Glück schon für rund 100 Euro. (Archivbild vom 21.04.2015/Die Veröffentlichung ist für dpa-Themendienst-Bezieher honorarfrei.) Foto: Andrea Warnecke
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1992 in Europa erschienen, nur rund drei Jahre später schon bei uns im Wohnzimmer. Hammer.

Die zweite Heimkonsole der „Nintendo Entertainment Analysis & Development“ katapultierte „die Videospiele in eine neue Ära“ heißt es auf der offiziellen Homepage. Natürlich musste das Teil gleich angeschlossen und ausprobiert werden. Und natürlich durfte die kleine Verena, gerade mal vier oder fünf Jahre alt, nicht mitspielen. Ist ja auch langweilig mit der kleinen Schwester, die nicht mal richtig den Controller halten kann. Ein paar Jahre später sollte ich diesen aber in die Hand bekommen – und nicht mehr weglegen wollen.

Wie ich diese Spielekonsole geliebt habe. Wie ich es aber gleichzeitig gehasst habe, gegen meine Schwestern zu verlieren. Besonders bei dem Rennspiel „Super Mario Kart“.

1993 in Europa erschienen, nur wenige Jahre später bei uns im Wohnzimmer. Hammer.

Wie viele Stunden etliche Spieler mit dem kleinen Klempner mit der roten Mütze verbracht haben müssen. Konnte Mario bisher nur geradeausgehen und springen, erschien nun das erste Rennspiel der Mario-Kart-Reihe. Mit der „Mode 7“-Technologie bekam die Kulisse um Mario und seine Freunden eine räumliche Tiefe – sozusagen pseudo-dreidimensional. Mit diesem Texture-Mapping-Modus kann die Hintergrundebene skaliert und gedreht werden.

Und die Kultfigur Mario, die ganz am Anfang ihrer Karriere noch Jumpman hieß, fährt, springt und rennt noch heute durch die Konsolen. ln „Mario & Sonic bei den Olympischen Spielen: Rio 2016“ treten Mario und seine Freunde bei 14 olympischen Wettkämpfen an.

Zum Themendienst-Bericht "Multimedia/Spiele/" vom 25. Oktober: Wenn Pixel-Stars um Medaillen kämpfen: Bei «Mario & Sonic bei den Olympischen Spielen» treten die beiden Figuren erstmals gemeinsam in einem Spiel auf. (Die Veröffentlichung ist für dpa-Themendienst-Bezieher honorarfrei. Quellenhinweis: "Sega/dpa/tmn") +++ +++
Bild: Sega/dpa/tmn

In Marios Welt gab’s nur eine Richtung

Aber so viele Möglichkeiten überfordern mich. Bei „Super Mario World“ konnte man zum Beispiel immer nur nach rechts gehen und über Gräben springen. Das Spiel wurde gemeinsam mit der Super-Nintendo herausgebracht. Im Hintergrund dudelten immer eingängige Melodien des Komponisten Koji Kondo. Der Japaner, der wohl bei allen Super Mario-Fans für ungewollte Ohrwürmer gesorgt hat, leitet noch heute die Soundgruppe des Nintendo-Unternehmens.

Zurück zum pseudo-dreidimensionalen Rennvergnügen: Bei „Mario Kart“ war eine meiner Schwestern „Hautkopf“, ich war „Pilzkopf“. Hautkopf, das war die fahrende Schildkröte, auch als Kooper bekannt. Für uns aber nicht als Schildkröte erkennbar. Deswegen ganz einfach Hautkopf. Mit acht Jahren weiß man ja noch nicht, dass die englische Übersetzung dazu „Skinhead“ lautet.

Wie oft ich den Controller Richtung Fernseher – eine andere Richtung war wegen des Kabels nicht möglich – gepfeffert habe, weil Kooper mich in letzter Sekunde überholt hatte. Wie sehr es an meinen Nerven zerrte, wenn mich ein roter Panzer traf und selbst Fahrer wie Bowser, der in der Kurve absolut lahm war, an mir vorbeizogen.

Zerreißprobe vor der Ziellinie

Kein Ego-Shooter würde es schaffen, meine Emotionen so sehr hoch zu kochen. Aber auch „Super Mario World“ konnte mich ganz schön fertig machen. Wie sehr ich mich aufgeregt habe, wenn Mario dem Dinosaurier Yoshi hinterherrennen musste oder kurz vor der Ziellinie in einen Graben gefallen ist.

Und da wäre ja noch das Spiel „Teenage Mutant Ninja Turtles IV – Turtles in Time“, das 1992 für die Super-Nintendo erschienen ist.

Mir hat es Spaß gemacht, mit Leonardo oder Donatello den menschlichen Ninjas eins auf die Rübe zu geben – wenn ich denn durfte. Denn meistens saß ich nur daneben und musste zugucken. Schließlich ist eine Achtjährige noch nicht imstande, mit einer mutierten Schildkröte dem Bösewicht Shredder entgegen zu treten. Und wenn ich dann mal an die Konsole durfte, saß ich alleine da – und flog in der Regel nach der zweiten Runde raus.

Ein paar Jahre später: Nintendo war out (für uns zumindest), eine Playstation musste her. Eine Playstation 2, um genau zu sein, eine Spielekonsole des Herstellers Sony.

Ein „Nett to know“-Fact über die erste Playstation: Ursprünglich wollten Sony und Nintendo eine gemeinsame Konsole unter dem Namen „Super Nintendo Play Station“ herausbringen. Aus der Zusammenarbeit wurde letztlich nichts, Sony brachte das Teil alleine raus.

Karaoke löste Mario ab

Ob die PS2 eines Tages Kultstatus erreichen wird? Ende 2012 wurde die Produktion in Japan eingestellt. Meine Schwestern zögerten nicht lange. Bei eBay verscherbelten sie die Super-Nintendo. Ein Schritt, den sie später noch bereuen sollten. Denn die Playstation fand nur bei Abenden Anklang, an denen so lange gebechert wurde, bis man sich an das mehr oder weniger beliebte Karaoke-Spiel Singstar traute, das Sony 2004 herausgebracht hatte.

Der einzige Grund, weshalb man die Playstation einschaltete. Anfangs hatte das, nennen wir es mal Singen, noch einen gewissen Spaßfaktor. Aber der ist nach etlichen „Gesangs“-Abenden flöten gegangen. Heute hängt mir Boy Georges „Karma Chameleon“ zum Hals raus.

Jetzt reicht’s – back to the 90s, bitte!

Und so kam es, dass wir viel zu spät merkten, was wir an unserer super Super-Nintendo eigentlich hatten. Da konnte man keine Mikrofone anschließen, um nervige Hits aus den 80ern zu grölen, auch hatte die Super-Nintendo noch eine Grafik, bei der die Augen beim ersten Hingucken nicht schmerzten – was man von der Nintendo 64 ja nicht behaupten kann. Die Super-Nintendo versetzte uns zurück in die 90er Jahre.

Als man es noch faszinierend fand, mithilfe eines gelben Knopfes dieselbe Strecke dreimal entlang zu fahren. Überall suchte meine Schwester nach der Konsole für einen halbwegs erschwinglichen Preis. Ohne Erfolg. Offenbar haben auch andere Fans den Kultstatus dieses technischen Wunderwerks erkannt. Die Playstation verstaubte währenddessen vor sich hin.

Die Playstation ist ja doch ganz nett…

Ein paar Jahre später: Ich bin bei der Konkurrenz Sony geblieben und habe eine Playstation 3 in meinem Wohnzimmer stehen. Daran zu zocken macht durchaus Spaß.

Aber an die vergleichsweise simple Grafik und den unverkennbaren Super Mario-Sound kommt die Konsole nicht heran. Wie der Zufall es wollte, unterhielt ich mich mit einer damaligen Arbeitskollegin über Spielekonsolen. Und klagte ihr natürlich mein Leid über die verloren geglaubte Super-Nintendo. „Ich habe eine Super-Nintendo und ein paar Spiele dafür zuhause rumliegen. Benutzen wir aber nicht mehr. Kannst du haben“, antwortete die Kollegin.

Läppische 30 Euro und einen Tag später: Jahrelang im Keller meiner Arbeitskollegin, jetzt in meinem Wohnzimmer. Hammer!

Ich habe sie wieder. Die Super-Nintendo. Und dieses Mal gehört sie mir. Mir! Wer damit spielen will, muss fragen. Die kleine Schwester, die den Controller nur selten halten durfte, schlägt zurück. Unter den Spielen ist auch das erste Mario-Kart-Spiel. Pilzkopf, du hast mich wieder!

Verena Sieling

spielt gern Playstation, besiegt ihre Schwestern am liebsten bei Super Mario-Kart und legt sich momentan eine umfangreiche Schallplatten-Sammlung zu. Aktueller Stand: 5 Platten hat sie schon.