Stummer Schauplatz? Von wegen!

Eine Ausstellung findet klassischerweise im Museum statt. Eine Aufführung im Theater. Wer einen Film sehen möchte, geht ins Kino.

Und wer zum Filmfest Oldenburg will, der landet zum Beispiel im Theater, bei einem Geldinstitut, einer ehemaligen Fleischwarenfabrik – oder auch im Knast. Denn das Filmfest Oldenburg beschränkt sich nicht auf den klassischen Ort „Kino“. Schon immer lag ein besonderer Reiz des Festivals in den ungewöhnlichen Locations. An die Stelle eines simplen, stummen Kinos tritt so ein Ort, der mit der Veranstaltung (zum Beispiel einer Filmvorführung), aber auch mit dem Zuschauer eine Art Kommunikation eingeht. Das Ganze ergibt ein einmaliges Konstrukt.

Die Justizvollzugsanstalt Oldenburg zum Beispiel zählt in diesem Jahr wieder als Spielstätte des Filmfests dazu. Im Festivalprogramm heißt es:

„Dahinter steht der Gedanke, nicht nur den Gefängnisinsassen im Zuge ihrer Resozialisierung ein kulturelles Angebot zu bieten, sondern auch den normalen Besuchern des Festivals Einblicke in die Gefängniswelt zu gewähren. Das Festival möchte eine Brücke zwischen dieser Innen- und der Außenwelt schlagen und darauf aufmerksam machen, dass straffällig gewordene Menschen nach Verbüßung ihrer Strafe wieder ein Teil der Gesellschaft sind.“

Natürlich laufen hier nicht x-beliebige Filme, sondern thematisch passende: „Frohe Ostern, Falke“ etwa, der neue Tatort mit Wotan Wilke Möhring, oder „Wir waren Könige“, der von gewaltbereiten Banden und überforderten Polizisten handelt. Noch bevor sich der Zuschauer überhaupt hingesetzt hat, hat er in der JVA bereits eine Sicherheitskontrolle absolvieren und seinen Ausweis vorlegen müssen. Er ist somit nicht nur einfach Beobachter eines fiktiven Kinofilms, sondern als realer Mensch Teil geworden eines Konstrukts aus Film, Veranstaltung und Aufführungsort. Übrigens: 2008 waren bei der Uraufführung eines Frankfurter Tatorts sogar Hauptdarstellerin Andrea Sawatzki und Justizminister Bernd Busemann anwesend.

Andrea Sawatzki in Oldenburg
Justizminister Bernd Busemann und Schauspielerin Andrea Sawatzki 2008 hinter Gittern in Oldenburg beim Filmfest (Bild: NWZ-Archiv/Philipp Herrnberger)

Warum Oldenburg manchmal per se schon ein genialer Ort für manche Filme ist, das verdeutlichte Karen Leigh Hopkins, Autorin und Regisseurin von „Miss Meadows“, bei der internationalen Premiere ihres Films am Freitagabend in der Alten Fleiwa: Oldenburg sei eine wunderschöne Stadt, lobte sie, „Miss Meadows würde es lieben, hier zu wohnen.“

Nicht nur bei den Filmen, auch in Sachen Filmfest-Partys trumpft Festivalleiter Torsten Neumann Jahr für Jahr mit coolen Locations auf. Die Königsklasse ist dabei in der Regel die freitags stattfindende „Secret Party“. Vergangenes Jahr feierten die Gäste im alten Gefängnis an der Gerichtsstraße.

Im alten Gefängnis fand 2013 die Geheimparty des Filmfests statt. (Bild: NWZ-Archiv/Hauke-Christian Dittrich)
Im alten Gefängnis an der Gerichtsstraße fand 2013 die Geheimparty des Filmfests statt. (Bild: NWZ-Archiv/Hauke-Christian Dittrich)

In diesem Jahr lockte Neumann seine Gäste in ein von außen völlig unscheinbares Haus am Innenstadt-Rand. Ganz oben, im vierten Stock, erwartete den Besucher die „Bad City“. Nix mit Schickimicki. Aber trotz und gerade wegen der Kargheit eine Räumlichkeit, die super passte. Natürlich auch dank der supernetten Mitarbeiter/-innen, die geduldig Getränke ausschenkten und leckere Hot-Dogs und „Zwetschen-Crumble“ verteilten. Vom Balkon aus ließ sich die Stadt überblicken.

Mit dem Fahrstuhl in die Bad City (Bild: Jantje Ziegeler)
Mit dem Fahrstuhl in die Bad City (Bild: Jantje Ziegeler)

„Bad City“ ist der kanadische Film von Carl Bessai, der am Freitagabend auf dem Filmfest Weltpremiere feierte, ehe er als Motto für die Geheimparty herhielt. „Macht Spaß und ist politisch unkorrekt!“, lautete die Ankündigung auf dem Plakat zur Party.

"Bad City" über den Dächern von Oldenburg (Bild: Jantje Ziegeler)
„Bad City“ über den Dächern von Oldenburg (Bild: Jantje Ziegeler)

Erwähnenswert ist übrigens auch die 10. Auflage des Festivals 2003: Damals lud Neumann zur Geheimparty ins Pornokino ein.

Jantje

Jantje

Online-Redakteurin bei NWZonline
Jantje Ziegeler (Jahrgang '85) ist im Herzen zwar eine Prinzessin, findet ihren Job als Journalistin aber auch allererste Sahne.
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