Soweit die Flügel tragen

Normalerweise ist das hier nicht der Ort für Klaviermusik. Doch bei der Spannweite, die der Flügel auf dem Debütalbum der Düsseldorfer „Grandbrothers“ erreicht, will, kann, ja muss ich hier eine Ausnahme machen. Denn „Dilation“ klingt nicht nach überkandidelter Klassik oder den verkopften Pianoexperimenten eines John Cage, obwohl Erol Sarp und Lukas Vogel ganz sicher von ihm beeinflusst sind. Es passt vielmehr in die Reihe von großartiger Musik, zu oft bezeichnet als Neo-Klassik (schreckliches Wort), von Musikern wie Hauschka, Francesco Tristano oder Brandt Brauer Frick.

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Doch die beiden Düsseldorfer, die sich während des Ton- und Bildtechnikstudiums kennenlernten, holen aus dem alten Kasten Piano einfach mehr raus. Bei den „Grandbrothers“ ist es vielmehr umfassend genutzte Musikmaschine als schnödes Tasteninstrument, es wird zum Verbindungsstück zwischen Analogem und Digitalem. Sie schaffen es, dass sich ein Flügel wieder aufregend und abenteuerlich anhört, trotzdem nicht kompliziert und auf das Konzept ausgerichtet, sondern dem Hörgenuss verpflichtet. Dabei wechseln sie mühelos zwischen Ambient, Jazz, Klassik und elektronischer Musik.

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Während Sarp, der bereits im Kindesalter zum Klavier kam, noch relativ „konventionell“ auf Schwarz und Weiß spielt, entlockt der gebürtige Schweizer Vogel dem mächtigen Instrument nämlich völlig andere Töne. Aus dem offenen Flügel schlängeln sich Kabel, Mikrofone horchen nach den unbekannten Geräuschen, die rund 20 elektromechanische Hämmer, welche zusätzlich im Instrument angebracht werden, an Holz, Saiten und Mechanik des Flügels erzeugen. Gesteuert werden diese kleinen Helferchen von Vogel am Laptop, er erzeugt damit Rhythmen und Klangteppiche wie man sie nie von einem Klavier erwartet hätte. Bei all dieser komplizierten Technik bleibt die Musik der „Grandbrothers“ aber immer hörbar, schwillt manchmal gar opulent an und erzeugt eine Dichte, die einen noch ein drittes und viertes Mal nachschauen lassen, ob es denn wirklich nur diese beiden sind, ob nicht irgendwo im Hintergrund noch zehn weitere Hilfsmusiker an ihren Instrumenten werkeln.

Aber sie sind wirklich nur zu zweit. Hier der Beweis.

Björn

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Serienaficionado, Gamefanatic, Musiknerd und bekennendes Web 2.0-Opfer mit einer besonderen Vorliebe für jedweden Schwachsinn, den das Netz zu bieten hat.
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