Pinker Donut statt 08/15-Berliner

Ich liebe künstlerischen Interpretationsspielraum (deswegen mag ich auch gute Kurzfilme so gerne).

In Gedichten, Liedtexten oder Filmen einen Pool an Möglichkeiten zu erzeugen, ist das Eine. Aber mit einem einzigen Satz, verknüpft mit einem kleinen, simplen Bildchen das Gedankenkarussel des Betrachters anzuschmeißen – das ist etwas Besonderes. Das Filmfest Oldenburg hat das mit seinen vier Werbemotiven – Donut, Luftmatratze, Revolver-Trommel, Herzballon – geschafft. „Ein bisschen Dadaismus; Dinge, an denen man kurz hängen bleiben soll“, sagt Torsten Neumann. Und fügt hinzu: „Das umschreibt vielleicht ein bisschen unser Profil. Wir haben ein Programm, das eben NICHT der Erwartungshaltung, dem Main Stream entspricht.“

Da ist der pinke Donut (das Prinzessinnenherz schlägt allein schon wegen der Farbe höher). Der pinke Donut vor rosa Hintergrund. Zuckersüß und mit bunten Streuseln. Darunter steht: „Don’t miss the donut by looking through the hole” (wörtlich übersetzt etwa: „Verpasse nicht den Donut, indem du durch das Loch guckst“). Nahezu tiefgründig, was sich hieraus deuten lässt! Wer sich nur auf dieses Loch in der Mitte, den vermeintlichen Makel, konzentriert, verpasst das Süße. Die Streusel. Den pinken Zuckerguss. Aufs Leben übertragen: Wer sich immer nur auf den Mangel fokussiert, auf das, was schiefläuft, verpasst alles Schöne. Aufs Filmfest übertragen: Wer sich nur auf den – im Verhältnis zu Cannes, Toronto oder Berlin – kleinen Austragungsort Oldenburg und das kleinere Budget fokussiert, verpasst ein klasse Event. Auch bei den großartigen Filmen, die es hier in Oldenburg zu sehen gibt, sollte man genauer hingucken, anstatt im Mainstream zu verharren.
Außerdem: Was wäre ein Donut ohne Loch, ohne das Oldenburger „O“ in der Mitte? Ein langweiliger 08/15-Berliner! So sieht’s aus.

Jantje

Jantje

Online-Redakteurin bei NWZonline
Jantje Ziegeler (Jahrgang '85) ist im Herzen zwar eine Prinzessin, findet ihren Job als Journalistin aber auch allererste Sahne.
Jantje