Nachruf: Roger Willemsen war viel, viel mehr

Roger Willemsen steht im Jahr 2000 auf einem Aktenschrank in seiner Hamburger Produktionsfirma Noa-Noa und imitiert vollendet ein aufgeregtes Huhn. Dieses Bild huscht als erstes durch meinen Kopf, wenn ich an ihn denke. Es ist eine von vielen Erinnerungen an einen Mann, der so voller Lebensfreude war.

Roger Willemsen starb am 7. Februar 2016 im Alter von 60 Jahren in Hamburg an den Folgen einer Krebserkrankung. Und nun schreiben wieder alle über den Gebildeten unter den TV-Moderatoren. Über den Bestsellerautor, Dokumentarfilmer, zeitweiligen Museumswärter und Akademiker, der an der Uni zum „Selbstmord in der Literatur“ forschte. Über den, der die größten Stars und merkwürdigsten Personen der Zeitgeschichte gnadenlos gut interviewte.

Das alles war Roger Willemsen. Aber er war viel mehr.

Willemsen war ein sehr guter Zuhörer. Er hörte allen zu, die ihm eine Geschichte erzählen wollten. Egal ob Taxifahrer, türkischer Gemüsehändler oder ältere Schokoladenfachverkäuferin. Und Willemsen suchte das Gespräch mit ihnen. Er konnte sich mit ihnen mit dem gleichen ungezügelten Enthusiasmus über die erste Staffel „Big Brother“, den besten Bratfisch im Hamburger Schanzenviertel oder die Politik der Bundesregierung unterhalten.

Auch meine Geschichte wollte er 1999 hören. Die der studentischen Aushilfskraft beim NDR, die ihm für die Live-Sendung „DAS!“ als Gästebetreuer zugeteilt worden war. „Schick mir einfach deine Bewerbung, wenn du bei mir Praktikum machen willst“, sagte er – und ein paar Wochen später durfte ich in seiner Produktionsfirma anfangen.

Es war der perfekte Einstieg in mein berufliches Leben als Journalist, denn Willemsen war ein begnadeter Lehrer. Er nahm sich die Zeit, den Praktikanten seine Art der Interviewführung zu erklären. Kurze Zeit später durfte ich für ihn Fragen ausarbeiten und Talkgäste zu Vorbereitungszwecken ausquetschen.

Willemsen gab auch Karrieretipps. „Geh bloß nicht zum ‚Spiegel‘ oder zum ‚Stern‘“, sagte er eindringlich. „Da wollen alle hin, aber da sitzen die größten Arschlöcher.“ Jahre später landete ich bei „Spiegel Online“. Er hat mir das dankenswerterweise verziehen.

Willemsen war für mich mehr als nur ein journalistisches Vorbild. Amnesty International, Attac, UN-Flüchtlingshilfe: Er hat sich immer für mehr als nur einen edlen Zweck engagiert. Der heutige Facebook-Mob würde ihn als „Gutmensch“ beschimpfen, dabei war er vor allem einfach nur eines: ein guter Mensch.

Ich wäre gerne so wie Roger Willemsen, aber einen so schlauen, charmanten, witzigen und loyalen Mann kann es nur einmal geben.

Willemsen war wie viele Genies seiner Zeit immer weit voraus. Dass er dann auch noch früher abtreten musste, ist einfach nur traurig.

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Denis

Redaktionsleiter bei NWZonline
Denis Krick (für immer 42) ist Rollenspieler, Comicleser, Serien- und Filmnerd, Gamer (wenn die Familie schläft) und wahrscheinlich Oldenburgs ältester Hiphopper. Am liebsten besucht er die Drehorte seiner Lieblingsserien & -filme auf der ganzen Welt.
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