Mörder und Ladykiller „Jack“ eröffnet das Oldenburger Filmfest

Dieser Typ hat alles, was die meisten Frauen abschreckt: Jack ist kriminell, beherrschend und brutal. Dennoch ist er ein Frauentyp. Das zeigt die erste Hälfte von Elisabeth Scharangs Krimidrama über Johann „Jack“ Unterweger (1950 bis 1994), den österreichischen Mörder und Schriftsteller, gespielt von Johannes Krisch. Jack hat eine Frau umgebracht, 15 Jahre im Gefängnis gesessen und dennoch unterstützen, verehren, lieben die Frauen ihn.

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Ein Schwerverbrecher, von Frauen umgarnt: Jack (Johannes Krisch) mit der Journalistin Marlies (Birgit Minichmayr). Bild: Filmfest Oldenburg

Wie ein Sog zieht einen gleich die erste Szene mitten ins kriminelle Geschehen hinein: eine Tankstelle in der Totale, Dunkelheit, fast Stille, nur das Motorrauschen eines Autos ist zu hören. Erst geschieht nichts. Dann, von jetzt auf plötzlich, springt die Tür auf, zoomt die Kamera schnell heran, rennen ein Mann und eine Frau mit Flaschen und Zigarettenpaketen aus der Tankstelle und steigen ins Auto. Die Flucht beginnt – ein starker Start.

Bildgewaltig geht es weiter. Jack und seine Komplizin rauben eine Frau aus, auf brutalste Weise ermordet Jack sie. Scharang erzählt die faszinierende Geschichte eines Verbrechers, der im Gefängnis mit dem Schreiben beginnt und damit noch mehr Frauen fasziniert. Nach 15 Jahren zurück in der Freiheit sieht er seine Liebe Susanne wieder, die Frau eines Architekten, gespielt von Corinna Harfouch. „Du riechst noch nach Gefängnis“, sagt sie. „Ich mag das.“

Jack baut sich ein neues Leben auf, kauft sich Anzüge und ein Auto, alles weiß-beige – wie die Unschuld? Kauft einen Hund. Er schreibt ein Buch über sich und wird gehört und geliebt. Seine Lesungen sind zwar nicht immer besucht, aber er hat Erfolg, weil ihn die Wiener Literaturszene will und fördert. Er beginnt, als Journalist zu arbeiten. Johannes Krisch verkörpert Jack glaubhaft, intensiv und so widersprüchlich, wie man sich einen schreibenden Mörder vorstellt. Ihm fehlt in dieser Rolle nur das gewisse Etwas, ein kleiner charmanter Zug, um ihm den böse-schillernden Frauenliebling bis ins Letzte abzunehmen. Aber das ist Geschmackssache.

Das Drama um den Mörder, Dichter und Ladykiller entwickelt sich in der zweiten Hälfte zum Krimi: In Wien passieren mehrere Prostituiertenmorde und Jack, der selbst in der Sache recherchiert, gerät in Verdacht. Spätestens jetzt verlassen ihn Glück und Erfolg wieder, die Polizei ermittelt und diejenigen, die ihn lieben oder ihn unterstützten, zweifeln – auch Susanne und erst recht die Journalistin Marlies, überzeugend gespielt von Birgit Minichmayr.

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Applaus für den Mörder und Dichter: Jack (Johannes Krisch) bei einer Lesung. Bild: Filmfest Oldenburg

Wer einmal in den Jack-Sog geraten ist, kann sich nicht mehr befreien. Die Geschichte ist einfach, aber fesselnd. Die vor allem farblich mit Bedacht arrangierten Bilder sowie das Wechselspiel zwischen Stille und plötzlich einsetzendem Lärm tragen dazu bei, dass man sich ihm nicht entzieht. Hier ist der Film wie Jack: mal sanft, ein guter Zuhörer, dann erschreckend aufbrausend, brutal einnehmend, unberechenbar beeindruckend.

Zu „Jack“ kann man nur sagen: Schaut ihn euch an! So genau man aber auch hinschaut – man versteht Jack, den Mörder und Dichter, nicht. Nur in der Szene, in der seine Mutter ihn nach langer Zeit besucht, erfährt man etwas über seine Vergangenheit, seine Kindheit. Doch das allein macht seine Person nicht greifbarer. Man versteht nicht, wie er zu dem geworden ist, was er ist.

Das ist ein wenig enttäuschend, man würde gerne mehr über seine Motive, sein Inneres wissen. Aber vielleicht ist es gerade das, was den Film besonders macht, dass er eben nicht die Psyche des Verbrechers seziert, sondern ihn in seinem Handeln porträtiert und fragt: Kann sich ein Mensch von Grund auf ändern? Auf jeden Fall ein Film, über den man nach der Oldenburger Premiere noch lange diskutieren wird.

Vorführung: Mittwoch, 16. September, 19 Uhr, kleine EWE-Arena, Maastrichter Straße 1.

Weiterer Termin: Samstag, 19. September, 16.30 Uhr, JVA

INTERAKTIVE KARTE: 52 Filme in fünf Tagen: Der perfekte Fahrplan fürs Filmfest

NWZ-FILMKRITIK: „Jack“ von Reinhard Tschapke

Inga Wolter

Tagsüber immer für eine gute Geschichte zu haben. Nachts als Lois Lane im Einsatz, heißt es aus vertrauenswürdigen Quellen.