Hollywood fürchtet sich: Der Hillbilly kehrt zurück

Die Zauselbärte wachsen wieder – und werden mächtig. Nein, nicht in Berlin, sondern in abgelegenen Gegenden der USA. Der Hillbilly kehrt heimlich auf die Kinoleinwand zurück. Spekulation? Ein paar großartige Kinofilme, die kaum jemand guckt, sind dafür Grund genug. Wir stellen sie vor – und ihren zauseligen Hauptdarsteller.

„Ein Hillbilly ist ein freier (…)  Bürger Alabamas (…), der in den Bergen lebt, sich kleidet so gut er kann, redet, wie es ihm gefällt, Whiskey trinkt, wenn er einen bekommen kann, und seinen Revolver abfeuert, wann immer es ihm beliebt.“ 

Definition im New York Journal aus dem Jahr 1900

 

Da kommt er also her – ein sympathischer Kerl. Und nicht totzukriegen. In Filmen, Comics und der Hillbilly-Musik lebt er seither als heilige Einfalt oder etwas verkommene Verwandtschaft des ordentlichen Amerikaners.

Doch der Hillbilly hat auch eine andere Seite.

Der Hillbilly-Film schlechthin – mit dem berühmten Banjomotiv. In „Deliverance“ (Beim Sterben ist jeder der Erste“, 1972) wagen sich ein paar Biedermänner zu einer Raftingtour in die Berge. Und hier pulverisiert New Hollywood den Stolz des zivilisierten Bürgers: Was ein stummer Hillbilly-Junge am Banjo vollbringt, hallt als Teufelsmusik durch die Wälder. Ned Beatty wird von Zauselbärten vergewaltigt und muss quieken wie ein Schwein. Es ist die ultimative Demütigung.

Ausgerechnet der Hillbilly, die Lachnummer aus den Bergen, zeigt seinen ehrbaren Verwandten die Grenzen auf. Es sollte eine Ausnahme bleiben.

Brandine_and_Cletus

So haben wir ihn wieder gern: Cletus aus „Die Simpsons“ (Bild oben), die Familie Wanker in „Eine schrecklich nette Familie“ oder der „Cotton Eye Joe“ im depperten Dorfdisco-Hit. Witzfiguren, über die der Kleinbürger, ob Homer Simpson oder Al Bundy, sein bescheidenes Glück erhebt, so brüchig es auch ist. Der Hillbilly steckt jede Demütigung ein, kratzt sich am Kopf und zeigt ein Zahnlückengrinsen.

Doch nun muss man den Hillbilly wieder ernst nehmen.

„Winter’s Bone“ aus dem Jahr 2010 erzählt zwar die Geschichte eines sympathischen Teenagers – doch in was für einer Welt! Auf der Suche nach ihrem Vater dringt die 17-jährige Ree Dolly durch atavistische Clanstrukturen und Gewalt. Hauptdarstellerin Jennifer Lawrence wurde für den Oscar nominiert und ist heute ein Star.

„Prisoners“ aus dem Jahr 2013 ist ein garstiger Thriller, fast so fies wie „Das Schweigen der Lämmer“. Das Unglück bringt auch hier ein Junge aus der Einöde. Hat er die Kinder zweier Familien entführt? Hugh Jackman als braver Familienvater verzweifelt am debilen Schweigen des Sonderlings. Und greift zum Hammer.

„Auge um Auge“ aus diesem Jahr ist kein großer Film – aber ein wundervoll gefilmter Abglanz des Kinos der 1970er-Jahre. „Deerhunter“ mit politischem Update. Woody Harrelson gibt den wilden Mann aus den Bergen – brutal bis zur Parodie. Christian Bale als gutmütiger Arbeiter übertrifft sich selbst.

Machen drei Filme schon einen Trend? Vielleicht kann man „Take Shelter“ (2011) dazunehmen. Darin gibt es keine Hillbillys. Doch auch hier erschüttert eine rätselhafte Kraft das Glück eines hart arbeitenden Familienvaters. Trägt er den Wahnsinn der Mutter in sich?

Vielleicht hat uns Hollywood mit diesen Filmen doch noch etwas über das reale Amerika zu sagen.

Seriöse Kritik, bitte übernehmen Sie!

 

Timo

Timo Ebbers (37) glaubt nicht an ein Leben nach Hollywood und könnte sich durchaus vorstellen, ein Zimmerchen im Edith-Ruß-Haus für Medienkust zu bewohnen.
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