Groove Orchester Oldenburg: Rocken mit der Geige

Meine Geigenlehrerin verdreht die Augen, wenn ich ihr erzähle, mit welchen Methoden wir im Groove Orchester Oldenburg (GOO) versuchen, auf unseren Instrumenten ein Schlagzeug zu imitieren. Für sie ist es selbstverständlich, nach einigen Jahren Unterricht ihre Schüler in ein klassisches Orchester zu schicken. Was aber, wenn meine bevorzugte Musikrichtung keine Konzerte und Sinfonien beinhaltet, sondern moderne Lieder?

Dass es ein Jugendorchester in Oldenburg gibt, welches auch regelmäßig im Staatstheater auftritt, ist wohl bei vielen Oldenburgern bekannt. Viele Musikschüler, die jahrelang Unterricht auf klassischen Instrumenten erhalten, steuern auf dieses Orchester zu. Es gibt aber auch ein Gegenstück dazu, für alle, die Lust haben, Pop-, Rock- oder Jazzmusik zu machen.

Zu der Instrumentation eines modernen Popsongs gehören heutzutage neben dem Gesang hauptsächlich Schlagzeug, Gitarre und Keyboard – wenn nicht gar die komplette Musik aus Computersounds besteht. Kann man diese Geräusche auf Instrumenten wie Geigen, Querflöten oder Celli nachstellen? Man kann es tatsächlich, und wie das geht, macht der Dozent und Musiker Jens Piezunka mit seinem Jazz-Streichquartett „String Thing“ erfolgreich vor. Neben mehreren   CDs haben die vier Musiker eine Instrumentaldidaktik namens „Groovy Strings“ veröffentlicht. Piezunka zählt zu den führenden Fachkräften in dem Bereich und bietet interessierten Musikern in Oldenburg mit dem Groove Orchester nun eine Alternative zu dem klassischen Orchester.

Aber nicht nur die Musikrichtungen unterscheidet das GOO grundsätzlich von anderen Orchestern, sondern auch die Arbeitsweise. Es geht nicht so sehr darum, ausgewählte Stücke innerhalb eines halben Jahres einzuüben und zur Aufführung zu bringen, um sie dann wieder zu vergessen. Vielmehr wird so wie in Bigbands nach und nach ein Repertoire erarbeitet, auf welches man immer wieder zurückgreifen kann. Dabei steht weder die Intonation noch die Perfektion der Stücke im Vordergrund, sondern die Vermittlung der Grundidee des Grooves.

Der Begriff Groove steht nicht nur für eine in einem Musikstück typische Rhythmusfigur, sondern auch für die Euphorie der Musiker, wenn das Zusammenspiel gelingt. Und das funktioniert nur, wenn alle, trotz unterschiedlicher Stimmen im Stück, immer denselben Puls halten. Dafür muss man nicht immer mit dem Fuß wippen, obwohl das natürlich am einfachsten ist. Sobald allerdings die Musiker merken, dass der Takt einheitlich empfunden wird, gelingt das Spielen der schwierigsten Melodien viel besser.  Am Anfang ist es gar nicht gefragt, alle Töne zu spielen. Vielmehr geht es darum, im Groove zu bleiben und sich erfolgreich durch das Stück zu „schummeln“. Es ist schon toll, wenn man 80 Prozent der Noten spielt.

Choppen, Scratchen und ganz viel Spaß

Um den Takt zu halten oder einen Rhythmus umzusetzen, muss man aber nicht immer auf seinem Instrument spielen. Beliebt ist es, Percussionelemente einzubauen. Diese unterstützen nebenbei den rockigen Charakter vieler Musikstücke, da sie das Schlagzeug ersetzen. Auf die Klangkörper des Cellos oder Kontrabasses kann man klopfen, das ist offensichtlich. Aber auch bei der Geige gibt es viele Möglichkeiten, einen Rhythmus ohne Töne zu spielen. Eine davon ist das Choppen – was so viel wie Hacken bedeutet – und bei dem man mit dem Bogen auf die abgedämpften Saiten fällt. Oder auch das sogenannte Scratchen, bei welchem man mit dem Bogen entgegengesetzt zur gewöhnlichen Strichrichtung über die Seiten schabt.

Zu einer Probe gehört deshalb auch immer die berüchtigte Groove-Runde, in der schwierige Rhythmen aus den Stücken mithilfe von Bodypercussionelementen, also Stampfen sowie Klatschen, oder mit einfachen Silben fokussiert auseinandergenommen und zusammen eingeübt werden. Später lässt sich der zumeist kompliziert notierte Rhythmus auf den Instrumenten leicht umsetzen – aber die Groove-Runden haben noch einen anderen Effet: Sie bringen viel Spaß.

Doch auch sonst ist das GOO nicht auf Leistung oder Erfolg forciert: Es geht mehr darum, gemeinsam ungewöhnliche, unkonventionelle Sachen auszuprobieren und voneinander zu lernen. Das Groove Orchester Oldenburg steht deshalb nicht nur ambitionierten Jugendliche offen, sondern ist als generationsübergreifendes Projekt gedacht. Die einzigen Voraussetzungen fürs Mitmachen sind grundlegende Instrumentalerfahrung und vor allem viel Spaß an dem Vorhaben, gemeinsam zu grooven. Weil dabei nicht auf ein bestimmtes Ereignis hingearbeitet wird, ist ein Einstieg jederzeit möglich. Es gilt: Umso mehr Mitspieler, umso mehr Klang, umso mehr Möglichkeiten. Das Orchester freut sich über jeden Zuwachs.

Denn das Groove Orchester ist ein Ensemble der Musikschule Oldenburg und relativ neu: Es wurde erst Anfang 2015 gegründet. Zur Probe trifft es sich gewöhnlich Montagabend. Auch einen Auftritt im Wilhelm13 gab es im Rahmen des „Bandshops“ schon, weitere Termine sind bereits geplant.

Friederike

Praktikantin bei NWZonline.de

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