Die schönen Leichen der „Peaky Blinders“

Es gibt Dinge, die die Briten ganz hervorragend können: Spleenigen Humor und Sozialdramen zum Beispiel. Jetzt starten sie mit der Serie „Peaky Blinders“ den Versuch, die Amerikaner auf ihrem grundeigenen Boden der Gang- und Mafia-Epen in HBO-Qualität zu schlagen. Nimmt sich die BBC da vielleicht etwas zu viel vor? Die sechsteilige erste Staffel um eine Gang im britischen Birmingham im Jahr 1919 startet in Deutschland am 2. Juni auf Sky. Die Schauwerte der „Peaky Blinders“ sind spektakulär.

Birmingham, 1919. Ein Moloch der Industrialisierung, in dem die Schlote Feuer und dicken Qualm spucken. Die Männer sind gebrochen, furchtlos oder irre aus dem Ersten Weltkrieg heimgekehrt. Jeder schlägt sich durch, wie er kann. Die Gang der „Peaky Blinders“ versucht es mit Wetten und Schutzgeld. Der Name spielt auf ihr Markenzeichen an: Die „Peaky Blinders“ nähen sich Rasierklingen in die Schiebermützen. Nicht zum Rasieren, versteht sich.

Thomas Shelby (Cillian Murphy, bekannt als „Scarecrow“ aus „The Dark Knight“) ist in dieser ehrenwerten Familie zwar nur der kleine Bruder. Doch er ist schlauer als die Patriarchen vom alten Schlag. Ein Einzelgänger, der auf die Traditionen seines Clans pfeift. Als eine Waffenlieferung verschwindet, die die britische Regierung in Verlegenheit bringt, will Tommy zocken: Zwischen dem britischen Staat – vertreten durch den bulligen Polizeiinspektor Campbell (Sam Neill) -, der aufstrebenden IRA und altem Gangsteradel versucht er, die „Peaky Blinders“ zur neuen Macht aufzubauen.

Schöpfer Steven Knight und Hauptdarsteller Cillian Murphy erklären das dem Guardian ganz ausführlich:

Die Ambitionen der Serie sind also hoch. Und das ist in jeder Einstellung der ersten Folgen zu sehen. Geklaut wird nur vom Besten: Martin Scorseses schwärmerische Gewaltorgien werden zurechtgestutzt und mit nahverwandter Musik unterlegt. Stilisierungen aus Sergio Leones „Es war einmal in Amerika“ siedeln über. Alles in sparsamen Dosen und stets um jenes Quäntchen umgestylt, das den bösesten Plagiatsvorwürfen vorbeugt.

Von der legendären Liebesszene in Nicolas Roegs „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ für die dritte Episode abzukupfern, ist freilich etwas dreist. Solches Strebertum hat der Serie  einige Häme eingebracht. Mit den Vorzügen der Vorbilder fängt man sich eben auch leicht ein paar Klischees ein. Vor allem die Liebesgeschichte zwischen Thomas und der zwielichtigen Barfrau Grace Burgess (Annabelle Wallis) hat es erwischt: Die mittelprächtigen Dialoge treten im Hochglanz der Inszenierung unangenehm hervor.

Und dennoch: „Peaky Blinders“ ist Augenfutter auf höchstem Niveau. Der historisch satte Hintergrund wird nebenbei zum Heimkehrerdrama und Politthriller ausgewertet. Die „Peaky Blinders“ sterben dabei ein wenig in Schönheit, aber eine hübsche Leiche ist mehr, als die meisten Serien hinterlassen. Und auch die Musik, die Scorsese für seine Gangster gern dick aufträgt, gerät hier düster-delikat und ist allemal ein Hinhören wert. Man könnte fast von Understatement sprechen.

 

 

Timo

Timo Ebbers (37) glaubt nicht an ein Leben nach Hollywood und könnte sich durchaus vorstellen, ein Zimmerchen im Edith-Ruß-Haus für Medienkust zu bewohnen.