Die Legende von Bud Spencer – mehr als Kinderkram

Bud Spencer ist tot, und für viele heißt das: Wieder einmal ist ein Held der Kindheit gestorben und mit ihm ein Stück Kindheit selbst. Mal abgesehen davon, dass ein Menschenleben in Übergröße sein Ende gefunden hat: So ziemlich jeder wird sich für immer an einen oder mehrere Lieblingsfilme erinnern, in denen Bud Spencer Fäuste sprechen und Sprüche fliegen ließ (Foto: Imago). Meiner ist „Zwei wie Pech und Schwefel“, vielleicht wegen der Profikiller-Szene bei der Chorprobe.

Doch da ist mehr als Kinderzimmernostalgie. Die Figuren, die von der Kunstfigur Bud Spencer auf dem Bildschirm zum Leben erweckt werden, stehen für universelle Werte: ein naiver Glaube an Fairness und den Sieg des Guten zum Beispiel. Als ehemaliger Footballprofi „Mücke“ spricht Bud Spencer das direkt aus, als Kommissar Plattfuß setzt er sich dafür gern über die Regeln seiner Vorgesetzten hinweg. Im Duo mit Terence Hill übernimmt meist sein blauäugiger Kompagnion die Rolle des Strebers und Moralapostels, manchmal gegen den Willen des theaterdonnernden Bud. Doch am Ende ist es immer das Duo, das den Schwachen und Benachteiligten gemeinsam aus der Patsche hilft.

Mehr als die so geliebten Quatsch-Synchronisationen von Rainer Brandt sind dies die wahren Qualitäten der Spencer/Hill-Filme. Deshalb funktioniert das Duo auch in Geschichten auf allen Kontinenten und in allen Epochen, von der modernen Großstadt („Miami Cops“) über den Wilden Westen („Die rechte und die linke Hand des Teufels“) bis zum Mittelalter („Hector“). Man kann das Duo in dieser Hinsicht mit anderen, von der Kritik höher gewerteten Komikern – den Marx-Brothers, Charlie Chaplin, Laurel und Hardy, Louis de Funès und Woody Allen – in ein Boot setzen und inzwischen Vergessene wie die britischen Carry-on-Komiker auf einem Floß hinterhertreiben lassen, quer durch alle Epochen und Gesellschaftsschichten: Jeder sprengt auf seine Weise die geltenden Werte und Normen. Bud Spencer eben mit bloßer Faust.

Vom Himmel gefallen ist der Himmelhund mit Superkräften übrigens beileibe nicht. Der übermenschliche Kraftkerl im Dienste der Schwachen hat in der Filmgeschichte Italiens starke Wurzeln: Maciste hieß der Held in „Cabiria“ (1914), einem frühen Welterfolg des italienischen Films. Kein Geringerer als Gabriele D’Annunzio, Italiens Chefintellektueller der Jahrhunderwende, hat ihn erfunden, Regisseur Giovanni Pastrone drehte daraus die Urmutter des Sandalenfilms.

Sogar der ewige Streit mit Raimund Harmsdorf, der in Filmen meist einen aufgepumpten Soldaten der US-Armee spielt, lässt sich (film-)historisch einordnen. Seit Roberto Rosselinis „Paisà“ (1946) gehört das Verhältnis zwischen italienischen Landsleuten und Alliierten zum Repertoire des italienischen Films. Dass ausgerechnet ein Deutscher diesen überheblichen Amerikaner spielt, passt ausgezeichnet in die emotionale Gemengelage gebeutelter Nachkriegsitaliener. Und wir Zuschauer teilen nur zu gern ihre mehr als klammheimliche Freude, wenn Bud per Muskelkraft den angekratzten Nationalstolz poliert.

Doch was ist nun eigenlich mit all den Dampfhämmern und Backpfeifen, mit denen Bud Spencer dem Guten zum Sieg verhilft: Ist das komisch, ist das Kunst – oder kann das ins Kinderzimmer? Ohne Flachs: Wem eine schlagkräftigere Illustration zum Konzept der Freudschen Aufwandsersparnis aus „Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten“ einfällt, möge sich melden. Oder schweigen, auf dass ihm niemand den Scheitel mit einem Vorschlaghammer zieht.

 

Timo

Timo Ebbers (37) glaubt nicht an ein Leben nach Hollywood und könnte sich durchaus vorstellen, ein Zimmerchen im Edith-Ruß-Haus für Medienkust zu bewohnen.