Amazon-Serie „Hand of God“: Im blutigen Auftrag des Herrn

Ein Nackter steht mit erhobenen Händen in einem großen runden Springbrunnen. Sein Blick geht nach oben, er faselt irgendetwas in einer fremden Sprache, redet in Zungen. Schaulustige filmen den bärtigen Mann mit ihren Smartphones. Schließlich handelt es sich nicht um einen unbekannten Irren, sondern um Richter Pernell Harris. Der Jurist ist als unbarmherziger Mistkerl bekannt, der mit Freuden drakonische Strafen verteilt. Dabei ist er selbst alles andere als gesetzestreu: Harris ist korrupt und hat in der Stadt überall seine Netze festgezogen.

Schon die Anfangsszene von „Hand of God“ macht Lust auf mehr – vor allem auf Hauptdarsteller Ron Perlman („Hellboy“). Ähnlich wie in der Rockerserie „Sons of Anarchy“ spielt der Hüne wieder einen zwiespältigen Charakter, aus dem man zunächst nicht recht schlau wird.

Der Richter befindet sich in einer schweren Lebenskrise. Sein Sohn PJ liegt nach einem Selbstmordversuch hirntot im Krankenhaus. Er hatte zuvor mitansehen müssen, wie seine Frau Jocely vergewaltigt wurde. Die Familie will die lebenserhaltenden Geräte abschalten. Doch plötzlich hört der Richter wie sein Sohn zu ihm spricht und ihn auffordert die Vergewaltiger seiner Frau zu finden. Pernell hat ein „Erweckungserlebnis“ und fällt in die Hände des Ex-Drogenjunkies und Priesters Paul Curtis von der Kirche „Hand of God“.

Pernell glaubt, dass ihn seine Visionen zu den Tätern führen. Der Richter nimmt die Spur auf. Er begnadigt einen Ex-Sträfling, den er als seinen „Jünger“ anwirbt. Und auch sonst  krempelt der Richter sein Leben um. Seine Geliebte stellt er zunächst aufs Abstellgleis und wird keusch. Immer mehr verrennt er sich in seinen Wahn, die Täter zu finden, aber seine Visionen scheinen ihm dabei tatsächlich zu helfen.

Auf der Strecke bleiben dabei Freunde, Feinde und manchmal auch  Unschuldige: Die Beziehung zu seiner Frau Crystal (Dana Delany) kühlt merklich ab, seinem bestem Freund, Bürgermeister Robert „Bobo“ Boston (Andre Royo), gibt er Rätsel auf.  Während der Richter sich auf der einen Seite als Mann Gottes gibt und Gutes tut, beauftragt er anderseits kaltblütige Morde, um seinen Sohn zu rächen. Kollateralschaden in der Zivilbevölkerung inbegriffen.

Die von Amazon produzierte Serie „Hand of God“ spielt gekonnt mit der Unwissenheit des Zuschauers. Ist Pernell nun ein gemeingefährlicher Wahnsinniger oder ist der Mann unterwegs im Auftrag des Herrn? Der Richter setzt jegliche Moral außer Kraft und legitimiert sein unmenschliches Handeln mit einem Gottesdienst – der Rache an denen, die seiner Familie Leid angetan haben.

Während sich am Anfang der Serie die Ereignisse förmlich überschlagen, plätschern die restlichen Folgen der ersten Staffel jedoch etwas dahin. Allen Überraschungen zum Trotz: Eine stärkere Auseinandersetzung mit Wahn und Wahrheit würde „Hand of God“ sicherlich nicht schaden. Auch das Verhältnis des Richters zu seinem Sohn PJ wird eher nebenbei erzählt.

Das Ende der ersten Staffel wirkt dann nur auf dem ersten Blick überraschend, macht aber dafür umso mehr Lust auf die Fortsetzung. Gott sei dank: Die zweite Staffel soll in diesem Jahr noch erscheinen.

Serie „Hand of God“ auf Amazon Prime.

Tanja Henschel

Tanja Henschel

Volontärin bei Nordwest-Zeitung
Tanja Henschel würde gerne viel mehr Zeit für gute Bücher und Filme haben und auch mal wieder alte Schätze aus dem Bücherregal hervorholen, wie ihr altes Kinderbuch "Natascha mit dem roten Hut".
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