10 Jahre Facebook und ich – eine Bilanz

Für deutsche Verhältnisse ist unser Volontär Patrick Buck ein Facebook-Pionier. Schon 2006 war er dabei, wenn auch von Wyoming aus, wo die Welt schon ziemlich facebookblau leuchtete. Zehn Jahre ist das jetzt her. Für uns hält Patrick Rückschau auf seine erste Dekade im Netz aller Netzwerke.

von Patrick Buck

Derzeit bietet mir Facebook vermehrt digitale Rückblenden an: Zehn Jahre Freundschaft mit Rogier aus den Niederlanden, mit Aitor aus Spanien oder mit Miki aus Japan. Diese virtuellen Bande stammen aus meiner Zeit als Facebook-Neuling. Ich studierte 2006 an der University of Wyoming in den USA, gemeinsam mit Studenten aus aller Welt. Die blaue Facebook-Welt war in Amerika der Standard in der noch jungen sozialen Netz-Gemeinde. Darum lud auch ich eine digitale Version von mir bei Facebook hoch.

Es war die Pionierzeit der Sozialen Netzwerke, in der noch viele Seiten versuchten, Anhänger für sich zu gewinnen. Auf deutschen Bildschirmen dominierte das Rot von StudiVZ. Hier wurden Freunde gegruschelt und die Mitglieder des Netzwerks traten Gruppen mit klangvollen Namen bei wie „Vegetarier essen meinem Essen das Essen weg“. Darin passierte meist wenig bis gar nichts. Wichtig war nur der Titel, denn durch die Mitgliedschaft in diesen Unter-Netzwerken definierten die StudiVZler ihre Profile.

Übrigens kann man sich auch heute noch in das fast vergessene Netzwerk einloggen und nachschauen, mit welchen Gruppen man damals glaubte, seine Persönlichkeit am besten umschreiben zu können.

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Anscheinend habe ich bei StudiVZ immer noch 94 Freunde. Mein letztes Update stammt allerdings von 2011. Doch hier vermisst mich ohnehin niemand. Die einst pulsierende Seite ist heutzutage das Brandenburg unter den sozialen Netzwerken: Nix los, die meisten sind weggezogen. Bloß VZ-Moderatorin Lea schickt mir tapfer Jahr für Jahr ihren Copy-and-Paste-Gruß zum Geburtstag.

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Mit meinem Facebook-Konto setzte ich 2006 dagegen aufs richtige Pferd. Für deutsche Verhältnisse war ich sehr früh dran. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich die ersten Freundschaftseinladungen an deutsche Internetnutzer schicken konnte. Vielmehr knüpfte ich zu Beginn Kontakte vor allem mit internationalen Bekannten.

Die Recherche nach meinen ersten digitalen Fußstapfen bei Facebook zeigt: Besonders kreativ war ich nicht. Auf Englisch beklage ich mich in meinem ersten Post etwas wortkarg über die Arbeit an einer Hausarbeit für die amerikanische Uni.

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Es folgen vor allem Fotoalben, um das Leben zwischen atemberaubenden Landschaften, merkwürdigen Gebräuchen und absoluter Sportbesessenheit zu dokumentieren – auch wenn es von den facebooklosen Lieben zu Hause überhaupt noch niemand sehen konnte.

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Dementsprechend ist zu Beginn recht wenig los auf meiner Pinnwand. Erst Rebecca aus Australien erbarmt sich zum ersten Mitleids-Post.

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In den folgenden Jahren hat Facebook nicht nur die Welt, sondern auch meinen Freundeskreis erobert. Aktuell komme ich auf 301 Freunde. Wobei das Durchschauen der Liste immer wieder die Frage aufwirft, wer diese oder jene Person noch gleich war.

Ohnehin hat sich das Leben mit dem sozialen Netzwerk verändert. Früher war Facebook eine kleine Party, auf der ich alte Freunde wiedertraf und mit ihnen über dies und jenes aus unserem Leben schnackte. Heute ist das Netzwerk eine spektakulär große Messe, auf der mir von links und rechts, von oben und von unten Produkte, Neuigkeiten und Weisheiten angeboten werden. Ich erfahre weiterhin viel, aber wenig von meinen Freunden. Zum virtuellen Schnacken sind wir zu WhatsApp abgewandert.

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Auf der anderen Seite gibt es hier nicht nur Gruppen, die gerade mal ihren Titel wert sind. Wenn ich frage, wo ich einen guten Handwerker finde, bekomme ich viele Vorschläge und Erfahrungsberichte. Ein Post kann ein Stück weit die Welt verändern, wie kürzlich bei der Bahnhofsmission in Oldenburg. Die Ehrenamtlichen erhofften sich bloß ein paar Kaffee-Spenden – und haben nun das Lager für ein Jahr voll.

Was bleibt also nach zehn Jahren Mitgliedschaft bei Facebook? Es ist aus dem Leben nicht mehr wegzudenken. Wer aktuellen Trends und Stimmungen nachspüren will, kommt an Facebook nicht vorbei. Doch für mich persönlich verliert die Ebene als Freundschafts-Netzwerk an Bedeutung. Denn Persönliches geht unter in der Flut der täglichen Informationen. Zu den angeblich 50 Prozent der jüngeren Generation, die Facebook sofort nach dem Aufwachen checken, gehöre ich daher schon länger nicht mehr. Und das Schnacken mit Freunden verlege ich lieber in die echte Welt – bei einem ganz analogen Kaffee.

Timo

Timo Ebbers (37) glaubt nicht an ein Leben nach Hollywood und könnte sich durchaus vorstellen, ein Zimmerchen im Edith-Ruß-Haus für Medienkust zu bewohnen.